Exakt 364 Tage vom ersten Spatenstich bis zur Fertigstellung. Das sind Projektzeiträume, von denen Achims Bürgermeister Rainer Ditzfeld nach eigenen Angaben nur träumen kann. "Ich hätte gerne mal ein Projekt, bei dem ich nach einem Jahr sagen kann: Es ist erledigt", gab der Bürgermeister unumwunden zu. Doch grämen muss er sich dennoch nicht, immerhin handelt es sich bei dem Projekt, das so schnell umgesetzt werden konnte, um eine dritte Verdichtereinheit auf der Verdichterstation der Gasunie in Embsen – also auf Achimer Stadtgebiet. Diese Verdichtereinheit soll mit dazu beitragen, Versorgungsengpässe beim Gas im kommenden Winter zu vermeiden. Am Freitag wurde die dritte Verdichtereinheit, mit der Gasunie die Verdichterleistung vor Ort um ein Drittel steigern kann, in Anwesenheit des Staatssekretärs im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, Frank Doods, offiziell eingeweiht.
"Wir mussten bei der Errichtung der neuen Verdichtereinheit durchaus kreativ werden", gab Britta van Boven, Geschäftsführerin der Gasunie Deutschland, einen Einblick in die vergangenen Monate. So wurde kurzerhand eine bereits vorhandene Verdichtereinheit auf einer Anlage in Schleswig-Holstein, die aktuell nicht benötigt wird, abgebaut, nach Achim transportiert und dort dann wieder aufgebaut.
Doch die neue Verdichtereinheit ist nur ein erster kleiner Schritt für den Standort in Embsen. Gasunie hat nämlich noch größere Pläne. Das Unternehmen verbindet, wie berichtet, die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten LNG-Terminals in Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven mit dem europäischen Gasverbundnetz. Dazu muss in den kommenden Jahren eine Leitung entstehen, die von Stade nach Achim führt. Geplant ist aktuell, dass diese bereits 2026 in Betrieb gehen soll. Da an der Verdichterstation in Embsen aktuell aber auch mit der dritten Verdichtereinheit noch immer die benötigte Leistung fehlt, um die dann erwarteten Gasströme weiter ins deutsche und europäische Netz zu leiten, steht außerdem auch der Bau einer neuen Verdichterstation am selben Standort an.
"Uns ist bewusst, dass der Umbau kein Sprint, sondern ein Marathon sein wird", machte van Boven klar. Das Thema werde das Unternehmen mindestens noch bis zum Jahr 2027 beschäftigen. Klar ist aber, dass dem Standort in Achim in all diesen Prozessen eine wichtige Bedeutung zukommen wird. "Das Herz des Gasunie-Netzes schlägt zukünftig in Achim", brachte es die Geschäftsführerin auf dem Punkt. Für die Versorgungssicherheit sei der Standort unheimlich wichtig.
Doch auch im Nachbarlandkreis Rotenburg – genauer gesagt in der Gemeinde Sottrum – stehen Umbauarbeiten an. Dort rüstet das Unternehmen eine rund 250 Kilometer lange, bereits mehrere Jahrzehnte bestehende Gasleitung um, sodass sie in Zukunft Wasserstoff von der deutsch-niederländischen Grenze nach Bremen und Hamburg transportieren kann. Diese Umrüstung sei volkswirtschaftlich sinnvoller als ein kompletter Neubau, heißt es. Wasserstoff spiele aus Sicht von van Boven eine entscheidende Rolle, wenn es darum gehe, die Energieversorgung nachhaltig zu gestalten. Eine Voraussetzung für die Entwicklung eines Wasserstoffmarktes sei allerdings das Vorhandensein der erforderlichen Infrastruktur für Transport und Speicherung. "Aus meiner Sicht sind beide Projekte alternativlos und müssen gemeinsam angegangen werden", sagte van Boven mit Blick auf die Frage, ob die Projekte zur Sicherung der Versorgung mit Gas oder zum Ausbau des Wasserstoffnetzes Vorrang haben. "Wir müssen beides bis zum Ende der 2020er-Jahre schaffen. Und das wird ein Kraftakt werden."