An Pfingsten 2025 werden sich viele Achimer noch lange erinnern. Etwa 1700 Menschen aus Embsen und Teilen der Vogelsiedlung werden am Montag, 9. Juni, bis 6 Uhr morgens ihre Häuser verlassen müssen. Ob sie im Verlauf des Tages wieder zurückkehren können, ist nicht sicher. Grund für die Evakuierung ist der Verdacht auf zwei Weltkriegsbomben im Untergrund im Dreieck nördlich der Autobahn 27 und westlich der Landesstraße 167. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst soll an diesem Tag feststellen, ob im Boden tatsächlich Bomben liegen und diese gegebenenfalls entschärfen. Während dieser Arbeiten wird das Leben in einem Radius von 1000 Metern rund um die möglichen Fundstellen zum Erliegen kommen. Aus Sicherheitsgründen darf sich außer den Fachleuten für die Erkundung und Bombenentschärfung niemand in dem Bereich aufhalten. Deshalb wird auch die A 27 am Pfingstmontag zwischen dem Bremer Kreuz und der Anschlussstelle Achim-Ost gesperrt, teilen die Achimer Stadtverwaltung und die Polizei mit.
Woher wissen die Menschen, ob ihr Wohnhaus im Sperrgebiet liegt?
Nach Angaben der Stadt Achim müssen die Menschen im Ortskern von Embsen sowie einige Bewohner der Vogelsiedlung ihre Häuser vorübergehend verlassen. Sämtliche knapp 1000 Haushalte innerhalb der Sperrzone sollen am Gründonnerstag, 17. April, in einem Anschreiben von der Stadtverwaltung informiert werden.
Wohin sollen die Betroffenen gehen?
Polizei und Verwaltung setzen darauf, dass möglichst viele der rund 1700 betroffenen Bürger nun genug Zeit haben, eine für sie möglichst komfortable Lösung zu finden. Über Pfingsten seien möglicherweise ohnehin viele Leute im Urlaub, hofft Achims Bürgermeister Rainer Ditzfeld. Wer noch keine Pläne geschmiedet hat, habe nun knapp zwei Monate Zeit, nach einem geeigneten Quartier zu suchen. Zudem plant die Stadt, in den Räumen der Integrierten Gesamtschule (IGS) an der Waldenburger Straße eine Notunterkunft einzurichten. "Wir können alle unterbringen, die eine Notunterkunft brauchen", verspricht Daniel Moos, Erster Stadtrat. Andere Kommunen hätten die Erfahrung gemacht, dass in solchen Fällen etwa zehn Prozent der Betroffenen auf eine Notunterkunft angewiesen seien.
Wie lange dauert die Untersuchung der Stellen, an denen die Blindgänger vermutet werden, und die Entschärfung?
Dazu will zu diesem Zeitpunkt niemand eine klare Aussage treffen. "Wir hoffen, dass das an einem Tag erledigt ist", sagt Rainer Ditzfeld. Wegen der vielen Unwägbarkeiten könnte die Angelegenheit nach wenigen Stunden erledigt sein, aber auch länger als einen Tag brauchen. Deshalb rät die Verwaltung allen Betroffenen dringend dazu, sämtliche Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass sie die Nacht nicht zu Hause verbringen. Sie sollten also, Ausweise, Bankkarte, Hygieneartikel und Kleidung sowie dringend benötigte Medikamente einpacken. Auch die Versorgung von Haustieren muss sichergestellt sein. Unter Umständen macht es Sinn, sein Auto außerhalb der Sperrzone abzustellen, um es nutzen zu können. Fest steht: Am 9. Juni ab 6 Uhr müssen alle Menschen den Sicherheitsradius um die Fundstellen verlassen haben. Eine Rückkehr ist erst möglich, wenn der Kampfmittelbeseitigungsdienst Entwarnung gegeben hat.
Darf die Stadt Menschen zwingen, ihre Häuser zu verlassen?
Ja. Zu diesem Zweck soll am Donnerstag vor Ostern eine Allgemeinverfügung erlassen werden, kündigt Daniel Moos an. Sie bildet die rechtliche Grundlage für die geplante Evakuierung. Nach Angaben von Antje Golenia, Leiterin des Polizeikommissariats Achim, werden Beamte und Mitglieder der Feuerwehr am Pfingstmontag kontrollieren, ob tatsächlich alle Menschen das Gefahrengebiet verlassen haben.
Was müssen die Beteiligten im Vorfeld beachten?
"Wir sind darauf angewiesen, dass die Betroffenen mit uns zusammenarbeiten", sagt Daniel Moos. Die nächsten Tage und Wochen sollen dazu genutzt werden, möglichst für jeden Einzelfall eine Lösung zu finden. Aktuell wird im Rathaus ein Fragebogen entwickelt, um mögliche Probleme rechtzeitig zu erkennen. Geklärt werden soll, wer Hilfe bei der Evakuierung benötigt, wer in der Notunterkunft untergebracht werden muss, wer auf Hilfsmittel wie Rollstuhl angewiesen ist und wer möglicherweise gar nicht mehr mobil ist und liegend transportiert werden muss.
An wen wenden sich Bürger, wenn sie Fragen haben?
Am Montag, 5. Mai, ab 19 Uhr soll es eine Bürgerversammlung in der Aula des Cato-Bontjes-van-Beek-Gymnasiums geben. Dort sollen Vertreter der Stadt, von Polizei, Feuerwehr und Rotem Kreuz sowie von Gasunie Fragen rund den möglichen Bombenfund und die Evakuierung beantworten. Ab Dienstag, 22. April, hat die Stadt zudem eine Telefon-Hotline eingerichtet. Unter der Nummer 0 42 02 / 9 52 91 50 können Bürger montags bis donnerstags von 9 bis 15 Uhr sowie freitags von 9 bis 12 Uhr ihre Fragen stellen. Informationen will die Stadt bis Ostern auch auf ihrer Internetseite unter www.achim.de/evakuierung bereitstellen.
Mit Unternehmern, deren Betriebe im abgesperrten Bereich liegen, will die Verwaltung in den kommenden Wochen noch Gespräche führen. Weil die Untersuchung und Entschärfung an einem Feiertag stattfinden sollen, rechnet die Verwaltung nicht mit größeren Schwierigkeiten. Eine Lösung muss noch für die Landwirte in dem Gebiet getroffen werden, die zweimal pro Tag ihre Kühe melken müssen.
Wo sind die Bomben gefunden worden?
Zur genauen Lage der möglichen Blindgänger machen die Behörden keine Angaben, und es ist weiterhin auch nicht abschließend geklärt, ob es sich tatsächlich um Bomben handelt, die abgeworfen wurden, aber nicht explodiert sind. Aufgekommen ist der Verdacht im Zuge der Vorbereitungen für das Verlegen neuer Gasleitungen durch Gasunie. Das niederländische Unternehmen betreibt in Achim-Embsen eine sogenannte Verdichterstation. Zunächst seien verdächtige Stellen bei Luftbildaufnahmen des Gebiets gefunden worden, berichtet die Stadtverwaltung. Nach weiteren Untersuchungen habe sich der Verdacht erhärtet. Gewissheit über das, was dort unter der Erde schlummert, gibt es aber erst, wenn am 9. Juni die Fundstellen aufgegraben und genauer untersucht werden.
Ist es wirklich nötig, für die Untersuchung ein so großes Gebiet zu räumen?
Ja, davon sind Stadtverwaltung und Blaulichtdienste überzeugt. "Die Sicherheit der Menschen steht an erster Stelle", sagt Rainer Ditzfeld. In einer Simulation des "Worst Case" hat das Unternehmen Gasunie ermittelt, dass im Fall einer Detonation Bombensplitter bis zu 600 Meter weit fliegen könnten. Die Druckwelle könnte auch bei Häusern, die 270 Meter weit entfernt stehen, die Fensterscheiben zerbersten lassen. Um dieses Szenario zu vermeiden, sollen am 9. Juni sogenannte Containerburgen rund um die beiden Verdachtspunkte gebaut werden. Dazu werden mit Wasser gefüllte Seecontainer hufeisenförmig übereinandergestapelt, sodass der Ort, an dem der Blindgänger vermutet wird, von drei Seiten und von oben abgeschirmt wird. Der Druck kann nur noch in eine Richtung auf freies Feld entweichen. Durch dieses Schutzkonzept reduzierten sich die Auswirkungen des "Worst Case" auf ein kalkulierbares Minimum, teilt Gasunie mit.