Der Umzug der Stadtbibliothek Verden an den heutigen Standort am Holzmarkt ist inzwischen genau 25 Jahre her. Um dieses Jubiläum zu feiern, hat Leiter Stefan Kaplon eine besondere Veranstaltung vorbereitet. Sechs Autoren tragen beim Lesefestival am Sonnabend, 19. Oktober, zeitversetzt an zwei verschiedenen Standorten in der Bibliothek aus ihren aktuellen Romanen vor.
"Die Türen sind offen – die Besucher können kommen und gehen, wann sie wollen", erläutert der Bibliothekar. Gefalle ihnen eine Lesung nicht, sei es nicht nur akzeptiert, sondern sogar gewollt, dass sie einfach den Raum verlassen. Inspiriert hat ihn die Leipziger Lesenacht, die während der dortigen Buchmesse stattfand. "Das Format hat es als solches fast noch nie gegeben. Und wenn es in Verden gut ankommt, wollen wir das zu einer jährlichen Veranstaltung machen."
Es sind alles neuzeitliche, junge Autoren, deren Bücher dieses Jahr erscheinen oder erschienen sind. "Sie schreiben alle ernst zu nehmende Gegenwartsliteratur über Themen, die uns alle ein Stück weit bewegen", erklärt Kaplon. Lediglich Hans Rath tanze im Bezug auf das Alter etwas aus der Reihe. Doch zeigt sich der Bibliothekar besonders von der Geschichte des Buches "Jetzt ist Sense" von Rath begeistert. Darin findet sich der Tod bei einer Psychologin auf der Couch wieder. Es geht darum, was für eine Figur er eigentlich ist. "Es ist humorvoll verpackte Gesellschaftskritik, die Klischees aufarbeitet", resümiert Kaplon.
Eine Prise Humor
Eine Prise Humor sei in allen Lesungen zu finden, sagt der Bibliotheksleiter. Martin Breckers "Die Arbeiter" handelt von Kindern, die in einem Milieu aufwachsen, in denen harte Arbeit und Tradition großgeschrieben wird. In Sina Scherzants "Taumeln" geht es um die Suche nach einem vermissten Mädchen und die neuen Beziehungen, die unter den Suchenden entstehen. Stefan Sommers "Trabant" erzählt eine verworrene Familiengeschichte. Louise Pelts "Die Halbwertszeit von Glück" wird als lebenskluger Roman über die große Frage, was Glück eigentlich bedeutet, beschrieben. "Nach den Fähren" von Thea Mengeler beschreibt das Leben auf einer Insel, auf der die Tourismusbranche kollabiert. "Es könnte eine Nordseeinsel sein und es könnte so etwas wie eine Pandemie gewesen sein", schildert Kaplon die Handlung des Buches mit einem Augenzwinkern, um nicht zu viel vorwegzunehmen.
Die Besucher haben die Wahl
Die Besucher müssen sich entscheiden, aus welchen Büchern sie etwas hören wollen. Denn die Lesungen sind zeitlich so angeordnet, dass niemand an allen teilnehmen kann – zumindest nicht in Gänze. "Die Gäste können aber selbstverständlich alle sechs Lesungen zur Hälfte mitnehmen, wenn sie wollen", erzählt der Bibliothekar schmunzelnd. All diejenigen, die sich fragen, ob das spontane Verlassen einer Lesung nicht unangenehm für die Autoren werden könnte, kann Kaplon beruhigen: "Alle Autoren waren bei der Leipziger Lesenacht. Die kennen das also schon und wissen, worauf sie sich einlassen."
Und was hat sich in den 25 Jahren seit dem Umzug geändert? Zwischen den Regalen der Verdener Stadtbibliothek am Holzmarkt 7 werden schon seit Jahren nicht mehr nur Bücherwürmer fündig. "Bibliotheken müssen schließlich mit der Zeit gehen und sich modernem Medienverhalten anpassen", sagt Stefan Kaplon. So finden sich neben einem weitreichenden Angebot an Literatur, Zeitungen und abonnierter Zeitschriften sowohl Gesellschaftsspiele als auch eine stetig wachsende Auswahl an digitalen Medien.
Ob die frühere Leiterin, Elisabeth Müller, diese Entwicklung voraussehen konnte, lässt sich nur schwer einschätzen. Unter ihrer Leitung wechselte die Stadtbibliothek vor fast genau 25 Jahren, am 12. Oktober, den Standort. An ihrer ursprünglichen Stätte am Piepenbrink war im April 1999 Schluss. Der Umzug in die ehemalige Kavalleriekaserne am Holzmarkt dauerte damals rund ein halbes Jahr. Bis dahin sollte dann auch die Betriebsumstellung auf EDV bewerkstelligt sein. Neben Büchern, Zeitschriften, Kassetten und CDs sollten nun auch Videos und Spiele zum Verleih verfügbar sein. Das gesamte Angebot sollte nach Plan "ganz erheblich erweitert" werden.
Eine Bibliothek der Veranstaltungen
Mittlerweile hat sich die Bücherei in eine "Bibliothek der Dinge" verwandelt. Backformen, Powerbanks, Tonieboxen und seit März dieses Jahres auch eine Wärmebildkamera stehen dort zur Ausleihe. Doch auch als Bibliothek der Veranstaltungen kann sich die Bücherei bezeichnen. Das monatliche Repair-Café, das Bilderbuchkino für die Lütten, Adventskalenderaktionen sowie eine Vielzahl an Lesungen sorgen das ganze Jahr über für Unterhaltung am Holzmarkt.