Der Prozess um die massive Messerattacke in der Verdener Artilleriestraße, durch den eine Frau am 2. Mai vorigen Jahres in akute Lebensgefahr geraten war, soll an diesem Montag zu Ende gehen. Der 43-jährige Angeklagte muss sich seit Ende Oktober vor der Ersten Großen Strafkammer – als Schwurgericht – des Landgerichts Verden wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung an seiner früheren Partnerin (37) verantworten. Eine Tötungsabsicht hat der wegen Betrugs vorbestrafte Mann aus Oldenburg mehrfach vehement bestritten. An den genauen Ablauf des Tatgeschehens könne er sich nicht erinnern. Nach dem Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung erlitt das Opfer rund 50 Stich- und Schnittverletzungen.
Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft bestand bei dem italienischen Staatsangehörigen sehr wohl die Absicht, die Frau zu töten. Und zwar aus Hass und Rache, nachdem sie ihn Mitte März mit den beiden gemeinsamen kleinen Kindern verlassen und im Verdener Frauenhaus Obhut gefunden hatte. Er habe heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen gehandelt, so die Anklage. Um die Mittagszeit soll er ihr aufgelauert und sich ihr von hinten genähert haben, als sie gerade per Headset telefonierte. In rascher Folge habe er mit einem langen Küchenmesser wiederholt und „mit Wucht“ auf sie eingestochen. Erst durch das couragierte, hartnäckige Eingreifen einer zufälligen Zeugin sei es dem Opfer schließlich mühsam gelungen, dem Angreifer zu entkommen.
Frühere Einsätze der Polizei
„Diese Frau hat mir das Leben gerettet“, sagte die 37-jährige Nebenklägerin bei ihrer Vernehmung am zweiten Verhandlungstag. Die gebürtige Bulgarin schilderte eine in Italien begonnene, etwa zwölfjährige Beziehung zu dem „immer aggressiven“ Angeklagten. Sie sei häufig körperlicher und psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen. Es habe auch Polizeieinsätze gegeben, „aber geändert hat sich nichts. Aus Angst bin ich bei ihm geblieben“. Wenn sie ihn verlasse, werde er sie umbringen, habe der Mann gedroht. Sie habe sich dann aber doch „getraut, den Schritt zu gehen“. Auf Nachfrage verneinte die Frau energisch, bei der unheilvollen Begegnung in der Artilleriestraße das Tatmesser bei sich getragen zu haben.
Denn genau dies hatte der 43-Jährige in seiner von der Verteidigung verlesenen Erklärung behauptet. Zwar war für den eigentlichen Tathergang eine Erinnerungslücke geltend geworden („Das ist alles wie ein großes schwarzes Loch“), an eines wollte sich der kurz nach der Tat festgenommene Mann aber bestimmt entsinnen: „Das Messer hatte sie dabei." Es war nicht das erste Mal, dass er sich so äußerte. Gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen, der mit ihm in der Justizvollzugsanstalt Bremervörde mehrere Explorationsgespräche führte, hatte er angegeben, die Frau habe das Messer aus ihrer Jackentasche geholt. Er habe es „im Schock“ ergriffen „und sie nur ein wenig am Bauch gestochen, nur zweimal“.
Gutachten zur Schuldfähigkeit
So berichtete es der Sachverständige jetzt bei der mündlichen Erstattung seines Gutachtens zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten. Vor seinem Vortrag hatte sich der Facharzt noch außerplanmäßig ein weiteres Mal allein mit dem Angeklagten befassen müssen – um dessen aktuelle Verhandlungsfähigkeit zu überprüfen. Dem Gericht schien dies geboten, nachdem der spürbar aufgewühlte Mann unter Schluchzen und Tränen eine weitere Erklärung abgegeben hatte. Als würde er sein „letztes Wort“ vorwegnehmen wollen und wunschgemäß in italienischer Sprache. Da die Verteidiger dem Gericht einen entsprechenden Hinweis gegeben hatten, war eine Dolmetscherin engagiert worden.
Der nach eigenem Bekunden „beste Vater und Partner auf der Welt“ beteuerte einmal mehr, er habe die Frau nicht töten wollen, „so etwas würde ich niemals tun“. Misshandlung und Aggressivität während der Beziehung wurden ebenfalls nachdrücklich in Abrede gestellt. Dem minutenlangen, hochemotionalen Statement folgte eine etwa einstündige Pause. Der Sachverständige befand den Angeklagten für verhandlungsfähig. Und er führte dann auch aus, warum der Mann als voll schuldfähig zu gelten habe. Dass er schnell intensive Gefühle entwickele und auch zeige, wie im Gerichtssaal festzustellen war, stelle kein psychiatrisches Störungsbild dar. Er sei nicht wehleidig, nehme „Leidenszustände“ aber sehr deutlich wahr.