45 Musiker und Musikerinnen aus der Region zwischen Oldenburg, Bremen und Hannover treffen sich derzeit jedes Wochenende in Verden an der Aller: Die Sinfonietta Aller-Weser bereitet ihr Herbstprojekt im Konzertsaal des Domgymnasiums vor. Am Sonntag, 28. September, wird das Orchester zum zweiten Mal unter dem Verdener Musikpädagogen, Cellisten und Dirigenten Michael Spöring spielen.
Eröffnet wird das Konzert von einer Heldenlegende: Die Balladen des Barden Ossian, der Heldenlieder aus alten Zeiten vortrug, waren zu Niels W. Gades Lebenszeiten äußerst beliebt. Der dänische Romantiker ließ sich von ihnen zu seiner Konzertouvertüre „Nachklänge von Ossian“ inspirieren, die Edelmut, große Kämpfe und hehre Liebe in Klang setzt.
Überraschung für das Publikum
Die Slawischen Tänze op. 46 von Antonín Dvořák dürften dem Konzertpublikum wohlbekannt sein. Die Sinfonietta spielt die Tänze Nr. 1 in C-Dur und Nr. 4 in F-Dur. Sehr gerne interpretiert das Ensemble aus semiprofessionellen und erfahrenen Hobby-Musikern und -Musikerinnen Werke, die ganz zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Und so stehen diesmal zwei Komponisten auf dem Programmzettel, die für das Publikum echte Überraschungen sein dürften: Das Concertino für Posaune und Orchester von Ferdinand David (1810-1873) gilt als Pflichtlektüre jeden Posaunisten und ist dem Spät-Klassizismus beziehungsweise der Frühromantik zuzuordnen. In jedem Fall lohnt es sich unbedingt, es zu entdecken.
Der ehemalige Verdener Domgymnasiast Marten Bötjer, der nach seinem Posaunen-Studium in Berlin Akademist bei den dortigen Philharmonikern war, danach in Cottbus als Erster Posaunist wirkte und inzwischen die Position des Soloposaunisten bei den Bremer Philharmonikern übernommen hat, wird in Verden zu Gast sein.
Auch der Franzose Louis Théodore Gouvy (1919-1898) ist bisher kaum bekannt, doch gerade wird er von vielen Orchestern und auch im Rundfunk wiederentdeckt. Er ist der Zeitspanne zwischen Klassik und Romantik zuzuordnen. Für seine erste Sinfonie in Es-Dur voll selbstbewusster Eigenständigkeit und lebensfreudiger Ausstrahlung konnte sich das Orchester auf Anhieb begeistern.
Neuer Gastdirigent aus Verden
Karsten Dehning-Busse, langjähriger Stammdirigent der Sinfonietta, hat sich gesundheitsbedingt aus dieser Aufgabe zurückgezogen. Vorstandsmitglied Birgit Melsheimer gab bereits im Frühjahr bekannt, dass man von nun an mit wechselnden Dirigenten arbeiten wolle: "Es gibt einen ganzen Pool von möglichen Dirigenten, die das gerne tun würden." Neben Tillmann Benfer, Kirchenmusikdirektor im Ruhestand und langjähriger Honorarprofessor an der Bremer Hochschule für Künste, und Michael Spöring ist das zum Beispiel der ehemalige Domgymnasiast Jacob Gröper, der sich direkt nach dem Abitur im Jahr 2021 entschied, in Freiburg das Studium der Orchesterleitung aufzunehmen. Mittlerweile leitet er dort zwei Orchester und wird als Gastdirigent für das Sinfonietta-Herbstkonzert 2026 viel Erfahrung mitbringen. Um die Zukunft der Sinfonietta muss man sich also nach Dehning-Busses Ausscheiden keine Sorgen machen.
Bereits seit vier Jahren ist das Verdener Domgymnasium festes Probendomizil der Sinfonietta und Spielort für das alljährliche Herbstkonzert. Nachdem sich das Orchester im Jahr 2007 gründete, fanden die Konzerte über viele Jahre abwechselnd in Bruchhausen-Vilsen und Lunsen statt. Dass Verden nach der Pandemie zum Stammsitz des Orchesters geworden ist, darf als erfreuliche Bereicherung des Kulturlebens in der Allerstadt gelten.
Noten aus Frankreich
„Die Sinfonie von Gouvy habe ich ganz zufällig im Radio gehört und dachte sofort: ‚Was für eine tolle Musik!'“, erklärte Spöring beim Pressegespräch im Domgymnasium. Die Noten mussten eigens in Frankreich bestellt werden, wo der Komponist viel bekannter ist. „Die beiden slawischen Tänze mit dem großen Bläser-Aufgebot passen perfekt zu dieser Sinfonie.“ Zwischen Gouvy und seinem Zeitgenossen Niels W. Gade habe, weiß Spöring, eine Künstlerfreundschaft bestanden. Die 1795 „entdeckten“ Heldengesänge des Barden Ossian seien allerdings ein echtes Fake jener Zeit gewesen: Der Dichter James McPherson, der sich als der Entdecker alter Überlieferungen feiern ließ, habe diese Texte in Wirklichkeit selbst verfasst. „Doch das tut der Größe der Musik keinen Abbruch“, so Spöring. Und Vorstandsmitglied Christian Melsheimer setzt lachend hinzu: „Wenn’s auch nicht stimmt, ist es trotzdem gut erfunden.“
Ferdinand Davids Concertino nennt Vorstandsmitglied Christian Oberlinger „eine jugendliche, frische Musik“, die harmonisch perfekt zum übrigen Programm passe. Über sein Argument muss er selbst lachen: „Da haben wir Es-Dur, F-Dur und c-Moll, wenig Kreuze, das macht die Streicher zufrieden.“
Dass das nur ein Scherz ist, macht Vorstandsmitglied Britta Kiss deutlich: „Das ist alles ganz schön anspruchsvoll, da gibt es ’ne Menge zu üben. Aber das soll ja auch so sein.“ Insgesamt, so Oberlinger, sei es ein inhaltlich und atmosphärisch harmonisches Programm, das dem Orchester sehr viel Spaß mache. „Wir sind ganz sicher, dass es dem Publikum ebenso gehen wird.“
Das Konzert der Sinfonietta Aller-Weser im Domgymnasium Verden, Grüne Straße 32, beginnt am Sonntag, 28. September, um 17 Uhr. Der Eintritt ist frei, um eine Spende wird gebeten.