Die Konstrukteure, Schiffs- und Bootsbauer der Fassmer-Werft sind für ihre kreative Ader bekannt. So haben sie in bereits Fähren mit LNG- und Schiffe mit Methanolantrieb gebaut. Jeweils als Erste in Deutschland. Hinzu kommt ein rein elektrisches Forschungsboot. Mit der CIT-E Ferry, einem vollelektrischen Wasserbus, nehmen die Motzener jetzt Kurs auf neue Gewässer – die Binnenschifffahrt. "Das ist eigentlich nicht unser Steckenpferd", sagt Wolfgang Moewes, Fassmer Sales Manager für Boote und Davits.
Entstanden ist die Idee aus einer Zusammenarbeit Fassmers mit dem Antriebshersteller Torqeedo. Das Projekt einer Hafenfähre wurde von den Ausschreibern zwischenzeitlich zwar auf Eis gelegt. Doch die Partner entschieden, etwas Eigenes zu entwickeln und neue Auftraggeber zu suchen. Das im Landkreis Starnberg in Bayern beheimatete Unternehmen Torqeedo kennt viele Entscheider aus der Binnenschifffahrt. Und Torqeedo besitzt emissionslose, elektrische Antriebe. "Aber denen fehlte die Fähre", resümiert Moewes. Eines der Spezialgebiete des Motzener Unternehmens. "Wir haben mit unseren Tenderbooten quasi schon eine Fähre", sagt der Bootsbau-Experte, der Spezialkenntnisse im Rettungs- und Tenderbootsbau aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GfK) besitzt.
Erste Kontakte sind geknüpft
Mit der "Witte Kliff" pendelt beispielsweise zwischen Helgoland und der Düne, auf der sich Flugplatz und Badestrand befinden, ein Katamaran aus GfK, der 1997 in der Bauweise eines Tenderbootes bei Fassmer gebaut wurde. "Die Regularien haben sich geändert. Heute kann man nicht mehr so einfach ein Rettungsboot zur Fähre umfunktionieren", weiß Moewes. Deshalb haben die Experten des Jachtkonstruktionsbüros Judel/Vrolijk & Co ein neues Schiff entworfen.
"Erstmalig vorgestellt haben wir die Fähre auf der Veranstaltung ‚Electric & Hybrid Marine World Expo Virtual Live 2021’ Mitte September", berichtet Projektleiter Moewes. Das Interesse sei groß gewesen. "Wir sind schon mit möglichen Betrieben in Kontakt. Die erste Anfrage kam aus Sydney", berichtet der Fassmer-Mitarbeiter. Er könne sich die neuartigen Schiffe aber auch gut in Venedig, Amsterdam und Hamburg oder zwischen der Überseestadt, der Schlachte und Woltmershausen vorstellen.
Von einem Fährbetrieb hat Moewes hilfreiche Tipps für Wasserbusse im öffentlichen Personennahverkehr erhalten. "Die Schiffe brauchen keinen Komfort und müssen nicht schön sein", hat er gelernt. "Sie müssen nur schnelle Ein-und Ausstiegszeiten von ein bis maximal eineinhalb Minuten ermöglichen, leicht zu reinigen und von einer Person zu führen sein." Hochflorige Teppichböden, Kanten und Ecken? Unerwünscht. Integrierte Schiffshaltemagnete würden die Festmachtaue ersetzen, sodass die bis zu 100 Gäste fassenden Fähren analog zu Bus und Straßenbahn im Ein-Mann-Betrieb gefahren werden können.
Sobald Fassmer einen Interessenten gefunden hat, könne die erste Fähre nach rund eineinhalb Jahren operieren, blickt Wolfgang Moewes. Alle Folgeschiffe seien schneller zu produzieren, denn für die Rümpfe und Aufbauten aus GfK würden Formen verwendet, die immer wieder genutzt werden können. Das modulare Konzept erlaube es dem Kunden, die Gesamtlänge des Schiffes je nach Route und Bedarf von 12 bis 24 Metern zu wählen.
Da Pendlerschiffe typischerweise mit effizienten Geschwindigkeiten fahren, könnten die Fähren mit dem widerstandsarmen Katamaran-Rumpf auf innerstädtischen Wasserstraßen kosteneffizient betrieben werden, versichert der Projektleiter. Üblicherweise seien sie acht bis 14 Stunden im Einsatz, sodass viel Zeit für das Aufladen über Nacht bleibe.
Der fürs Auge merkwürdig daherkommende Name CIT-E Ferry ist der Lautsprache entnommen. Er vereint die Begriffe City, E-Mobilität und Fähre. Die CIT-E Ferry ist ein vollelektrisches Fährenkonzept für den öffentlichen Nahverkehr. Die batteriebetriebene Fähre soll einst emissionslos und geräuscharm fahren. „Viele Städte leiden seit Jahren unter einem sehr hohen Verkehrsaufkommen auf ihren Straßen. Um für Entlastung zu sorgen, setzen Stadtplaner immer häufiger auch Wassertaxis und Fähren ein. Die CIT-E Ferry ist dabei die ideale Lösung, denn sie entlastet nicht nur die Straßen und stärkt den öffentliche Nahverkehr, sie operiert auch vollständig emissionslos. Gerade mit Hinblick auf den Klimawandel ein entscheidender Vorteil“, betont Wolfgang Moewes.
Auf den Gängen der Bürogebäude und den Hallen der Fassmer-Werft sei die neu konzipierte Fähre in den vergangenen Monaten immer wieder Gesprächsthema gewesen. Insbesondere als die Fährgesellschaft FBS ihren Betrieb in Motzen coronabedingt eingestellt hatte, scherzte so mancher Mitarbeiter, dass sich Moewes Abteilung mit dem Bau des Schiffes beeilen möge, berichtet Wiebke Rabe, die bei Fassmer für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. "Ich wohne in der Bremer Innenstadt. Es wäre toll, wenn ich da einfach auf die Fähre gehen könnte."