Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat die Wesermarsch als Radreiseregion ausgezeichnet. Abseits von Weser-Radweg und Deutscher Sielroute wurden zehn Rundwege mit einer Gesamtlänge von 840 Kilometern zertifiziert. Wir sind die drei südlichsten Routen abgefahren.
Ein guter Einstieg in die „Kleeblattroute“, die durch und um Lemwerder herum führt, ist der Fähranleger gegenüber dem Nordbremer Stadtteil Vegesack. Die Schiffe verkehren am Wochenende im 20-Minuten,-Takt an Wochentagen sogar alle zehn Minuten. Möchte man nicht hetzen, sollten mindestens sechs Stunden für die gut 47 Kilometer lange Runde eingeplant werden.
Wer ein Smartphone besitzt, kann sich aus dem Internet die GPS-Daten der Route herunterladen. Allen anderen sei zu einer guten Vorbereitung geraten, denn der Routenverlauf ist nicht ausgewiesen.
Direkt am Fähranleger, noch vor dem Verwaltungsgebäude der Werft Abeking und Rasmussen, biegt ein schmaler Fußweg rechts ab. Er führt an der Weser entlang. Als Erstes passieren die Radtouristen die Skulptur „Sehnsuchtswesen“. Zwei hohe Dreiecke stellen symbolisch Schifffahrt, Walfang und Menschen dar. Die Skulptur erinnert an das 17. und 18. Jahrhundert, als Bremer und Oldenburger Reeder ihre Schiffe über die Weser ins Nordmeer schickten.
Vor die Lürssen-Werft löst sich die Route für eine kurze Strecke vom Wasser. Nach gut zwei Kilometern ist das Bootshaus des Wassersportvereins Motzen an der Spitze des Ritzenbütteler Sandes erreicht. Mit ein wenig Glück hat sonntagvormittags der Skippertreff geöffnet. Dann kann mit Blick auf Wasser, Schiffsverkehr und Luxusjacht ein Bier oder ein Kaffee getrunken werden. Wenige Meter weiter steht ein Pilgerkreuz in Segelform, das christliche und maritime Symbolik verbindet.

An der Spitze des Ritzenbütteler Sandes steht ein Segelkreuz, das christliche und maritime Symbolik verbindet.
Am dritten Wochenende im August tanzen bunte Flugobjekte über dem Ritzenbütteler Sand. Seit mehr als 25 Jahren gibt sich die nationale und internationale Drachenfliegerszene beim Festival „Drachen über Lemwerder“ ein Stelldichein an der Weser.
Vom Ritzenbütteler Sand führt der Weg die Deichtrift hinunter zur Ritzenbütteler Straße. Wer sich hier den Schlenker durch den Ort sparen möchte, nimmt sofort die Bardewischer Straße. Alle anderen biegen nach links auf die Ritzenbütteler Straße ab.
Der nächste Pfad (zu erreichen über Ernst-Wiechert-Straße) führt zwischen Weiden hindurch und stößt an seinem Ende auf einen 22,5 Meter hohen Leuchtturm. Dieser diente bis Anfang 1983 als Schifffahrtszeichen in der Richtfeuerlinie der Unterweser.
Es lohnt ein kleiner Abstecher zur Kapelle am Deich. Das circa 1300 erbaute Gotteshaus für die ortsansässigen Seefahrer und ihre Familien ist vermutlich das älteste Gebäude in Lemwerder. Die Kanzel stammt aus dem Jahre 1586. Im Sommer ist die Kirche tagsüber geöffnet.
Der Weg schlängelt sich quer durch Lemwerder. Wer vergessen hat, im Vorfeld Proviant einzukaufen, kann dies hier nachholen. Pferdeliebhabern bieten sich auf dem nächsten Streckenabschnitt zahlreiche Fotomotive. Im Sommer grasen und spielen zahlreiche Stuten mit ihre Fohlen auf den Wiesen des Zuchthofs Sosath.
In Bardewisch stoßen die Radler auf die 1245 von Zisterziensermönchen erbaute Heilig-Kreuz-Kirche. Besonders sehenswert sind die mittelalterlichen Fresken, der Altaraufsatz, der Tauftisch aus dem 16. Jahrhundert sowie die Malereien an der Empore. Nach rechtzeitiger Anmeldung bei Küsterin Anne Stöver (Telefon 04 21 / 67 14 84) kann die dreischiffige, westfälische Hallenkirche besichtigt werden.
Für biologisch Interessierte
Von der Heilig Kreuz Kirche aus sieht die Kleeblattroute einen Schlenker gen Berne vor – Vogelbeobachtungsgebiet inbegriffen. Die Abkürzung über den Neuenlander Weg dürfte für biologisch Interessierte nicht weniger interessant sein. Entlang des Flüsschens Hörspe hat der Landkreis Wesermarsch einen „Kiekpadd“ eingerichtet. Im Sommer säumen blühende Hochstauden den Wasserlauf. Eine Besonderheit ist das Vorkommen der Krebsschere. Besucher finden Informationen zu ausgewählten Pflanzen- und Tierarten, sowie einen Steg und eine Sitzecke für ein ruhiges Picknick am Wasser. Am Ende des Weges erreicht man die Kanalstraße, die wieder offizieller Teil der Kleeblattroute ist.
Von hier an befinden sich die Radtouristen im Landkreis Oldenburg. Wer schnell zurück möchte, biegt links in die Sannauer Hellmer ein. Allen anderen sei die Tour durch den Norden der Gemeinde Ganderkesee empfohlen.
Hier trifft Kultur auf Natur. Der Kamerner See erinnert an die Tradition des Tonabbaus und der Ziegelindustrie in der Gegend. Schüler haben eine stillgelegte Sandgrube unter dem Projektnamen „Finger-Tipp & Daumen-Grün“ zu einem riesigen begehbaren menschlichen Daumenabdruck umgestaltet.
In Rethorn lockt das historische Backhaus. Bis 1940 wurde in dem kleinen Fachwerkgebäude Brot gebacken. Später diente es als Werkstatt, Schlachthaus und Waschküche. Im Jahr 2002 errichtete der Ortsverein Rethorn das Backhaus neu. An zwei Tagen im Jahr, am Sonntag vor Ostern sowie am ersten Sonntag im Oktober, wird es zu „Backtagen“ geöffnet.
Weiter geht es durch den Stenumer Wald. Ein forstlicher Wander- und Lehrpfad lädt zum Erkunden der Vegetation ein. In Schönemoor wartet mit der allee-artigen Zufahrt zur 1324 errichteten Wallfahrtskirche „St. Katharinen“ ein niedersächsisches Kulturdenkmal. Fresken zieren Schiff und Chor der Backsteinkirche.
Die nächsten Kilometer ziehen sich. Schönemoor wird über die Sannauer Hellmer mit dem Lemwerderaner Ortsteil Altenesch verbunden. Bei Autofahrern ist die Straße als Verbindungsweg sehr beliebt, so dass die Radler häufig überholt werden.
Die noch verbleibenden Sehenswürdigkeiten entschädigen allerdings für die Unannehmlichkeiten. Die 1299 dem St. Gallus geweihte Kirche in Süderbrok soll auf dem Massengrab der Stedinger erbaut sein, die 1234 in der Schlacht bei Altenesch starben. Im Inneren der Kirche kann die von Ludwig Münstermann errichtete Kanzel, die Wilhelmi-Orgel und die 1790 vom bremischen Glockengießer Brand gegossene Glocke besichtigen.
Wenige Hundert Meter weiter erinnert das St.-Veit-Denkmal an den einzigen Kreuzzug auf deutschem Boden. Der Bremer Erzbischof Georg II. hatte die Abgabenfreiheit aufgehoben, wogegen die Stedinger Bauern aufbegehrten. Sein Kreuzfahrerheer schlug die Stedinger am 27. Mai 1234 vernichtend.
Zum Ende der Tour geht es zurück an die Weser. Wo die Ochtum in die Weser fließt, wurde 1976 ein Sperrwerk in Betrieb genommen. Es schützt Teile der Stadt Delmenhorst und der Gemeinde Stuhr sowie die zu Bremen gehörenden Stadtteile Huchting und Grolland bei Sturmflut vor Überschwemmungen.
Direkt an der Bundeswasserstraße führt eine fünf Kilometer lange Promenade zurück in die Ortschaft Lemwerder. Kurz vor dem Jachthafen, gewährt der 15 Meter hohe Aussichtsturm „Weitblick“ abschließend einen faszinierenden Blick über den Streckenverlauf der Tagesroute. Tafeln informieren über Wissenswertes zu Deichbau und Landschaftsgeschichte. Nach Beendigung der Radtour lässt es sich in einem der zahlreichen Lemwerderaner Restaurants und Imbisse stärken.