Altenesch. "Normalerweise bin ich ein ruhiger Typ. Aber das regt mich auf", sagt Eike Windhorst-Thöle. Gegen einen Radweg nach Delmenhorst auf der ehemaligen Bahntrasse würde die Vollerwerbslandwirtin aus Altenesch klagen. Warum? "Weil der für uns existenzbedrohend ist."
Seit dem vorletzten Jahrhundertwechsel, also seit circa 1900, wirtschaften ihre Vorfahren auf dem Hof in Altenesch. Sechs Generation. Ihr Sohn habe ebenfalls eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert. Der 20-Jährige will den Betrieb mit seinen derzeit 160 Milchkühen einmal übernehmen. Wenn ein Radweg quer durch ihre Ländereien geführt werden sollte, sieht Windhorst-Thöle ihr Betriebsmodell allerdings gefährdet. "Wir gehören dem Label ‚Pro Weideland’ der Molkerei Ammerland an", erzählt die Landwirtin. "Das heißt, unsere Milchkühe müssen an mindestens 120 Tagen im Jahr für mindestens sechs Stunden Weidegang haben. Unsere laufen sogar an 200 Tagen im Jahr draußen."
Vor 1982, als Thöles ihren ersten Boxenlaufstall bauten, habe das Problem mit der Querung der Gleise nicht bestanden. "Meine Eltern haben auf der Weide gemolken. Die Tiere wurden nicht täglich in den Stall getrieben", erinnert sich die Landwirtin. Heute nutzen sie einen fest verbauten Melkstand im Stall. "Mit einem Radweg auf dem Bahndamm sind wir direkt hinter dem Stall abgeschnitten." Dann bliebe nur noch Stallhaltung.
Mit "Jan Harpstedt" arrangiert
Die Kritik, der sich die Altenescher und Ochtumer Landwirte derzeit insbesondere in sozialen Netzwerken ausgesetzt sehen, gehe an der praktizierten Landwirtschaft vorbei. Es stimme, dass im vergangenen Jahrhundert in Altenesch Landwirtschaft betrieben wurde, obwohl die Bahn fuhr. Doch Eike Windhorst-Thöle ergänzt: "Jan Harpstedt fuhr nur an einigen Tagen im Jahr. An den Tagen haben wir unsere Kühe im Stall behalten."
In unmittelbarer Nachbarschaft wirtschaften Gunda Rose und ihre Familie. 145 Milchkühe. Ebenfalls "Pro Weideland"-Lieferanten. Die Gleise ziehen sich nicht durch ihre Flächen. Aber auch ihre Weiden und Mähwiesen grenzen an den Bahndamm. Deshalb ist auch sie betroffen. "Die Leute schmeißen viel Müll weg. Wenn Dosen bei der Ernte von den Maschinen geschreddert werden und die kleinen Metallstücke ins Futter gelangen, können die Tiere innerlich verbluten", sagt Gunda Rose.
Dem Vorwurf, die Entscheidung über einen möglichen Radweg jetzt hektisch voranzutreiben, widersprechen die beiden Landfrauen. "Da ist keine Eile. Wir wollen einen vor zwei Jahren eingereichten Antrag abgeschlossen haben", sagt Eike Windhorst-Thöle. "Wir Landwirte haben gemeinsam mit der Kirchengemeinde bereits im Juli 2019 einen Kaufantrag an die Gemeinde gestellt." Dabei handele es sich um den circa viereinhalb Kilometer langen Streckenabschnitt zwischen der Hauptstraße in Altenesch und der Gemeindegrenze. Dass der Antrag nicht in die Politik gegeben wurde, liege nicht an ihnen.
Auch der Vorwurf, sie hätten sich nicht gekümmert, stimme nicht. "Ich habe immer mal wieder bei der Bürgermeisterin nachgefragt", betont Windhorst-Thöle. "Allerdings immer mündlich, nicht schriftlich", bedauert sie heute.
Windhorst-Thöle und Rose stört, dass eine Handvoll Landwirte derzeit als Querulanten hingestellt würden. "Jedes Haus hat den Antrag unterschrieben. Es will hier keiner den Radweg haben", fasst Eike Windhorst-Thöle die Stimmung im Dorf zusammen. "Aber alle hacken auf den Landwirten rum", ergänzt Gunda Rose.
Die Meinung von vielen Alteneschern einzuholen, erachten die Landwirte als sinnvoll. Einen neuen Antrag der Unabhängigen Wähler Lemwerder (UWL), der am Donnerstagabend im Rat der Gemeinde behandelt wird, empfinden sie jedoch als unfair. Die UWL plädiert für eine Bürgerbefragung. "In Altenesch leben vielleicht 600 Menschen. Es sollen aber 7000 entscheiden, die größtenteils gar nicht betroffen sind", bemängelt Eike Windhorst-Thöle.
Problem Straßenkreuzung
Die Probleme, die ein Radweg durch die Feldmark bereitet, würden auf den ersten Blick nur Ortskundige erkennen. Für die drei Vollerwerbslandwirte bedeute die Trasse den dritten Einschnitt für ihre Betriebe. Der Windpark an der Sannauer Helmer beeinträchtige bereits das Wirtschaften. In einigen Jahren werde zusätzlich die Weiterführung der B 212 von Harmenhausen bis nach Bremen die Flächen durchschneiden.
Die Befürworter eines Radwegs durch die Wiesen werben mit einer Strecke ohne Unterbrechung. "Und die Ollenstraße?", fragt Anrainerin Gunda Rose, die täglich den ehemaligen Bahndamm queren muss, um von ihrem Hof die Hauptstraße zu erreichen. Ferner werde die Querung der Hauptstraße vernachlässigt. "Da dürfen die Autos 70 fahren. Die unübersichtliche Kreuzung ist viel gefährlicher als in Deichhausen", sagt Rose.
Landwirte und Kirche wollten die Bahngrundstücke nicht geschenkt haben, betonen die Landfrauen. Sie planen, sowohl für den Grund und Boden als auch für den Rückbau der Gleise zu zahlen. Einzig dessen Organisation erhoffen sie sich von der Gemeindeverwaltung, die in Sachen Ausschreibung mehr Erfahrung habe.