Lemwerder. Auf dem ehemaligen Cabon-Rotec-Gelände ist neues Leben eingezogen. Nachdem die Gustav Zech Stiftung das Grundstück 2018 aus der Insolvenzmasse des Rotorblattherstellers gekauft hat, produzieren jetzt 65 Mitarbeiter der BWE Bau Fertigteilwerk GmbH, ein seit 2007 zur Bremer Zech Gruppe gehörenden Betonfertigteilelieferant, großformatige Betonelemente. Die zum Teil über zwei Etagen hohen Objekte geben Fassaden eine individuelle Struktur. „Was tragende Fassaden anbelangt, gehören wir zu den Marktführern“, sagt Geschäftsführer Thomas von Glahn selbstbewusst.
Derzeit entstehen in der „Halle 12“ Elemente für drei Bürogebäude auf dem Neuen Kanzlerplatz in Bonn. Für die repräsentativen Bauten fertigt und montiert das Unternehmen eine verspielt wirkende Fassade aus mehr als 1000 tragenden Elementen, die überdimensionierten, geschwungenen Fensterrahmen ähneln. Die ersten Teile stehen bereits auf einer Freifläche des ehemaligen Rotec-Geländes zur Abholung bereit. Ins Auge fällt insbesondere die asymetrische Form der Rahmen.
Fassaden aus dem Hause BWE Bau in Lemwerder sind aber auch in Bremen zu sehen. In der Innenstadt hat das Unternehmen die Elemente für das neue August-Kühne-Haus gefertigt. Ebenso arbeitet die BWE Bau für die neue Zech-Zentrale im Europahafen. Auf einer Gesamtfläche von 100 000 Quadratmetern entstehen vier Häuser aus Backstein und rötlichen Betonfertigteilen, angepasst an die Umgebung der Speicherstadt. Die architektonischen Betonfertigteile in gewellter Optik werden ab circa drei Metern Höhe montiert. Die roten Häuser bilden künftig die neue Skyline des Europahafens.
Geschäftsführer von Glahn vergleicht sein Unternehmen mit einer Bäckerei. So wie in der Bäckerei Kuchen in unterschiedlichen Formen hergestellt werden kann, können seine Mitarbeiter Betonteile in zig Formen und Farben produzieren. Die Schalen, sozusagen die Backformen, für die Betonteile fertigen die Mitarbeiter, von denen rund ein Dutzend schon zu Zeiten Carbon Rotecs auf dem ehemaligen Flughafengelände gearbeitet hat, von Hand. Die Bewehrung des Betons, also das Stahlgerüst im Inneren der Betonteile, formt eine 35-köpfige ständige Werkskolonne aus Bukarest in „Halle 11“.
Nach der Bewehrung werden die Formen in der freitragenden „Halle 12“, die so groß wie ein Fußballfeld ist, mit dem individuell gemischten Baumaterial gefüllt. In der Misch- und Dosieranlage kann aus vier Zementsorten, zwölf verschiedenen Kies-, Sand und Splittmaterialien sowie mehreren Farben und Veredlungszusätzen ein Beton nach Wünschen des Bauherrn komponiert werden. Für die Bremer Landesbank habe sein Unternehmen beispielsweise grüne Fensterbänke gefertigt, berichtet von Glahn.
Einzigartige Verschiebeanlage
Der Geschäftsführer kann Befürchtungen nachvollziehen, die nach dem Verkauf des Geländes an die Zech Stiftung in Lemwerde kursierten. Damals wurde spekuliert, dass mit dem neuen Mieter auch viel Krach in das Gewerbegebiet einziehen würde. Doch von Glahn beruhigt: „Der gesamte Herstellungsprozess findet schallgeschützt in der Halle statt.“ Selbst die Anlieferung des Material geschehe über ein Förderband geräuscharm. Selbst die Maschinen arbeiteten im Flüsterton. „Neben der Verdichterstation kann man ohne Gehörschutz stehen“, preist der Geschäftsführer die moderne Technik.
Über zwei Hebevorrichtungen gelangt der individuell angemischte Beton in Waggons über ein Schienensystem, das an die Wuppertaler Schwebebahn erinnert, zu den vorgefertigten Schalen der Wand- und Fassadenelemente. Die BWE Bau hat in den vergangenen Monaten eine eigens für sie konstruierte, automatisch gesteuerte Umlauf-Verschiebeanlage installieren lassen, die nach Worten ihres Geschäftsführers in der Republik ihresgleichen sucht. „Das ist die erste Anlage dieses Systems in Deutschland“, betont von Glahn. Die Anlage verbinde größte Flexibilität für die Herstellung individueller Fassadenelemente mit wirtschaftlichen Umläufen und Prozesssteuerungen. Für höchste Qualitätsansprüche erfolge die Verdichtung des Betons auf einer Schwing- und Schüttelstation.
Der Geschäftsführer freut sich, in seinem neuen Domizil zudem auf vorhandene Infrastruktur zurückgreifen zu können. Die Kräne sind von ihrer Traglast zwar klein, aber für unseren hochwertigen Sichtbeton durchaus ausreichend", beschreibt von Glahn das übernommene Inventar. Stolz ist der Geschäftsführer auch auf seine Recyclinganlage. "Wir bereiten unser Abwasser wieder auf, sodass wir kein Abwasser auf dem Gelände haben. Die herausgefilterten Schwerstoffe werden in den nächsten Beton eingearbeitet. "
Neben Wand- und Fassadenelementen, dem sogenannten Sichtbeton, für höchste gestalterische Anforderungen produziert der aus Wiefelstede nach Lemwerder gezogene Betonfertigteilelieferant Stahlbetonteilen für den Industrie- und Gewerbebau. In „Halle 7“ fertigt BWE Bau zudem Gebäudedecken in Holz-Hybrid-Bauweise.
Mit dem Bausystem könnten energie- und ressourceneffiziente Gebäude mit bis zu 30 Stockwerken und 100 Metern Höhe gebaut werden, sagt der Geschäftsführer. Mitte April 2019 war die Zech-Gruppe bei der österreichischen Cree GmbH eingestiegen. Sieben Jahre zuvor hatte das Unternehmen aus Bregenz aus vorgefertigten Elementen in nur acht Tagen das erste achtgeschossige Holz-Bürogebäude der Alpenrepublik realisiert. Um die Brandschutzanforderungen in dem 27 Meter hohen Gebäude erfüllen zu können, entwickelte es damals eine Holz-Beton-Verbundrippen-Konstruktion. Eine nicht brennbare Schicht Beton trennt die einzelnen Geschosse voneinander.
„Holz-Hybrid ist perspektivisch ein Wachstumsmarkt“, ist Thomas von Glahn überzeugt. Auch bei BWE Bau sind die Auftragsbücher bereits gut gefüllt. Für die ebenfalls zur Zech Gruppe gehörende Cree by Zech fertigt BWE in „Halle 7“ rund 3000 Decken. Dabei geht es unter anderem um Prestigeobjekte wie den Siemens Campus in Erlangen. Die Zwischendecken aus Holz und Stahlbeton aus dem Werk in Lemwerder werden dort in einem repräsentativen Empfangsgebäude verbaut, berichtet von Glahn.
Die Holz-Hybrid-Bauweise sei eines der nachhaltigsten und innovativsten Bauverfahren, das eine weitgehende industrielle Vorfertigung ermöglicht, teilt Zech-Pressesprecher Holger Römer mit. Mit der Vorfertigung der Module würden Zeit, Staub, Lärm und Kosten auf den Baustellen eingespart, was bei Projekten im innerstädtischen Bereich als großer Vorteil gelte. Zudem verkürze sich die Bauzeit. „Vor Ort werden die Elemente wie Legosteine zusammengesteckt“, fasst Römer zusammen. Den Umsatz, den sein Unternehmen mit der Fertigung der Betonteile erzielen wird, schätzt Geschäftsführer Thomas von Glahn auf jährlich 15 Millionen Euro.
Obwohl die Produktion in Lemwerder gerade erst angelaufen ist, werde das Grundstück schon wieder zu klein sagt von Glahn. Der Grund: Neben der BWE Bau füllen weitere zur Zech Group gehörende Unternehmen das Gewerbegebiet. In „Halle 9“ erstellt die Hotelsparte Musterzimmer für das im Bau befindliche Unique Hotel in Kiel. Der Bauhof der Zech-Group deponiert seine Turmdrehkräne auf einer Freifläche. Und in circa drei Monaten werde die Fassade für das Zech-Haus im Europahafen vormontiert, so von Glahn.