Lemwerder. Die Schließung der Eschhofschule ist vom Tisch. Nicht nur vorübergehend, sondern endgültig. Davon ist Schulleiter Andreas Diercks überzeugt. „Der Landkreis Wesermarsch investiert in die Gebäudestruktur und hat finanziell die im Sekretariat angefallenen Überstunden übernommen.“ Für Diercks zwei deutliche Kennzeichen, dass der Landkreis die Akte „Zusammenlegung der Oberschulen Berne und Lemwerder am Standort Berne“ geschlossen hat. „Daran erkennt man, dass der Landkreis die Schule nicht nur mit Worten, sondern auch mit Geld unterstützt.“
Rückblick: Während des Drachenfestwochenendes Mitte August 2019 sickert durch, dass der Schulträger, der Landkreis Wesermarsch, über die Schließung der Eschhofschule nachdenkt. Zu gering ist die Anwahl durch die Lemwerderaner Grundschulabgänger. Vier der sechs Jahrgänge sind nur noch einzügig. Wahlpflicht- und Differenzierungskurse seien unter diesen Umständen nicht mehr möglich, lautet die Einschätzung eines vom Kreistag eingesetzten Arbeitskreises aus Kreispolitikern.
Binnen weniger Tage organisieren Eltern einen Protestmarsch. Rund 400 Eltern, Schüler, Lehrer, Kommunalpolitiker und Bürger ziehen mit großem Getöse von der Eschhofschule vor das Rathaus, um für den Erhalt ihrer Schule zu demonstrieren. Wenige Tage später chartern die Organisatoren Busse zur Sitzung des Kreisschulausschusses in Brake. Durch ihre bloße Anwesenheit üben Schüler, Lehrer und Elternvertreter so viel Druck auf die Kreispolitik aus, dass das Thema Schulzusammenlegung schließlich gekippt wird. Allerdings nehmen die Lemwerderaner den Auftrag entgegen, sich Konzepte für den Fortbestand ihrer Schule zu überlegen.
Vieles ist seither in Bewegung geraten. „Unsere Schüler nutzen jetzt noch stärker als bisher die Arbeitsgemeinschaften des Gymnasiums Lemwerder. Bislang haben sie an der Sanitäts- sowie der Tennis-AG teilgenommen. Jetzt machen sie auch bei der Keyboard-AG mit“, berichtet Schulleiter Diercks im Rahmen eines Frühstücks. „Das Arbeiten mit Arne Warnken, dem Leiter des Gymnasiums, ist sehr unkompliziert“, freut sich der Amtskollege der Eschhofschule. Zu dem Frühstück haben Tatjana Winterboer und Ute Volbers Schüler- und Lehrerschaft eingeladen. Es ist ihr Dank für die kreative Unterstützung während der Demonstrationsphase. Das Geld für Aufschnitt und Gemüsebeilagen haben die beiden Mitglieder des Fördervereins der Eschhofschule im Herbst durch den Verkauf von mehreren Hundert Kilo selbst gemachter Marmelade erwirtschaftet. Rund 1300 Euro waren für die Demonstrationskasse zusammengekommen. Nach Abzug der Kosten des Fördervereins, beispielsweise für Einschreiben an die Kreisverwaltung, konnten die „Marmeladen-Queens“, wie Winterboer und Volbers in der Gemeinde bereits genannt werden, nun noch das Frühstück spendieren.
Zwischen Brötchen und Saft berichtet Diercks weiter, dass seine Eschhofschule in kommender Zeit auch enger mit der Grundschule Lemwerder zusammenarbeiten wird. „Wir nehmen in diesem Jahr gemeinsam an der Aktion ,Lemwerder räumt auf'“, erzählt Diercks. „Bislang haben beide Schulen unabhängig voneinander teilgenommen.“
Kooperation mit heimischer Wirtschaft
Es sei ein Weg, die Erst- bis Viertklässler und deren Eltern bereits im Grundschulalter auf die Eschhofschule aufmerksam zu machen. Ausbauen werde die Oberschule zudem ihre Kooperation mit der heimischen Wirtschaft. Bislang besuchten jährlich einige der älteren Schüler im Rahmen ihres Nachmittagsunterrichts eine Arbeitsgemeinschaft in der Lehrwerkstatt der Werft A&R. Jetzt laufen Überlegungen, einen wöchentlichen Arbeitstag einzurichten, an dem die Jugendlichen statt zum Unterricht in die Schule, zum Arbeiten in einen örtlichen Betrieb gehen. "An der Oberschule Elsfleth wird das Projekt erfolgreich praktiziert", weiß Andreas Diercks. Ein jüngst eingerichteter Arbeitskreis Wirtschaft feilt derzeit an den Strukturen. "Wir sind beispielsweise dabei, mit den Firmen abzusprechen, ob sie lieber Acht- oder Neuntklässler nehmen."
Der Vorteil für seine Schüler liegt für den Schulleiter auf der Hand. „Die Jugendlichen haben die Chancen, sich unabhängig von ihren Noten bei den Betrieben zu bewähren. Und es wird für viele von ihnen leichter, zu entscheiden, ob sie nach der Zeit bei uns eine Ausbildung anfangen oder weiter zur Schule gehen wollen.“
Festhalten will die Eschhofschule an ihrer Kooperation mit den berufsbildenden Schulen (BBS) für den Landkreis Wesermarsch. In Brake nimmt ein Jahrgang der Lemwerderaner derzeit an einem sogenannten Berufsorientierungskarussell teil. Während des ersten Halbjahres eines Schuljahres schnuppern die Jungen und Mädchen in die fünf Fachbereiche Gastronomie, Technik, Elektrotechnik, Holz und Bau hinein. Im zweiten Halbjahr ordnen sie sich dann dauerhaft einem dieser fünf Fachbereiche zu.
Auch schulintern reagieren die Lemwerderaner auf die seit Jahren sinkenden Schülerzahlen. „Im siebten Jahrgang unterrichten wir beispielsweise in Sport die beiden Klassen gemeinsam. Das funktioniert gut.“ Auf diese Weise würden Lehrerstunden frei, die er anderweitig verwenden könne, begründet Diercks. Im kommenden Schuljahr werde es im zehnten Jahrgang voraussichtlich nur einen Mathematikkurs geben. Es obliegt dann der Lehrkraft, die Aufgaben an den unterschiedlichen Leistungsstärken der Schüler zu orientieren. Pädagogen sprechen von Binnendifferenzierung. Der Schulleiter ist begeistert, wie motiviert und engagiert seine Lehrkräfte die Herausforderungen angehen.
In diesem Halbjahr hat die Eschhofschule – mit tatkräftiger Unterstützung der Gemeindeverwaltung – begonnen, sich in Richtung der Oberschule Berne zu öffnen. „Unsere beiden Sechstklässlerinnen, die jetzt begonnen haben, Französisch zu lernen, werden von einer Mitarbeiterin aus dem Rathaus zwei Mal pro Woche mit dem Elektromobil zum Unterricht nach Berne gefahren.“
In den kommenden Monaten wollen die beiden Oberschulen zudem ihre Profile aufeinander abstimmen. „In Berne könnten die Profile Gesundheit, Soziales und Französisch und bei uns, aufgrund unserer engen Vernetzung mit der hiesigen Wirtschaft, die Profile Technik und Wirtschaft angeboten werden“, blickt Diercks voraus. Ohne Konkurrenzgedanken sollen Schüler und Eltern des jeweiligen siebten Jahrgangs über die Profile beider Schulen aufgeklärt und ein eventueller Schulwechsel problemlos ermöglicht werden.