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Vorwurf: Strafvereitelung im Fall Niels Högel Anklage gegen Ex-Staatsanwalt

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück erhebt im Fall des Delmenhorster Ex-Krankenpflegers Niels Högel Anklage gegen einen ehemaligen Oldenburger Oberstaatsanwalt wegen verschleppter Ermittlungen.
20.04.2015, 18:45 Uhr
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Anklage gegen Ex-Staatsanwalt
Von Silke Looden

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück erhebt im Fall des Delmenhorster Ex-Krankenpflegers Niels Högel Anklage gegen einen ehemaligen Oldenburger Oberstaatsanwalt wegen verschleppter Ermittlungen.

Der Jurist soll keine weiteren Exhumierungen zur Überprüfung von Todesfällen veranlasst und die Aussagen von Mitgefangenen des inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilten Ex-Krankenpflegers nicht ernst genommen haben. Der Strafjurist war von August 2011 bis November 2013 für den Fall Niels Högel zuständig. Die Anklageschrift wirft ihm Strafvereitelung im Amt sowie Rechtsbeugung in zwei Fällen vor.

„Das ist das Schlimmste, was einem Staatsanwalt passieren kann“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Osnabrück, Alexander Retemeyer, selbst Oberstaatsanwalt. Ermittlungen gegen einen weiteren Juristen der Staatsanwaltschaft Oldenburg hätten dagegen nichts ergeben.

Während des Prozesses gegen den Krankenpfleger hatte sich die Staatsanwaltschaft Oldenburg bereits bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt, dass jahrelang nicht mit Nachdruck ermittelt wurde. Die Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft Osnabrück bestätigt nun den Verdacht von Opferanwältin Gaby Lübben. Sie war nach eigenen Angaben wegen ihrer Verschleppungsvorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft Oldenburg sogar bedroht worden. Lübben: „Die Anklageerhebung bestätigt unsere Vermutung. Wir gehen fest von einer Verurteilung aus.“

Niels Högel war am 26. Februar wegen Mordes an zwei Patienten des Klinikums Delmenhorst sowie zwei Mordversuchen mit gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Vor Gericht hatte er gestanden, für insgesamt 30 Morde verantwortlich zu sein. Er soll Patienten auf der Intensivstation ein starkes Herzmittel gegeben haben, um sich später bei der Reanimation hervorzutun.

Der Dezernatsvorgänger des nun angeklagten Ex-Staatsanwalts hatte bereits neun Exhumierungen veranlasst. In fünf Fällen war das Medikament Gilurytmal nachgewiesen worden. Derzeit erfolgen weitere Exhumierungen. Insgesamt werden 174 Todesfälle von der Sonderkommission „Kadio“ überprüft.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Osnabrück hat der Anklagte auch nicht auf die Aussagen von Mitgefangenen des Krankenpflegers reagiert. Diese hatten berichtet, dass Niels Högel in der Haft von den Morden gesprochen hatte. „Damit war eine ausreichende Beweislast gegeben“, meint die Staatsanwaltschaft. Dennoch habe der Jurist nichts unternommen. Im Falle einer Verurteilung drohe ihm eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr.

Der Fall Niels Högel ist also noch lange nicht zu den Akten gelegt. Auch wenn das Strafmaß durch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld bereits ausgeschöpft ist, geht es weiter um die Wahrheitsfindung. Sollte der Krankenpfleger tatsächlich 30 Morde begangen haben, handelt es sich wohl um die größte Mordserie an deutschen Kliniken überhaupt.

Die Angehörigen der Opfer warten unterdessen weiter auf eine Entschädigung durch die Klinik in Delmenhorst. Mit Nachdruck hatte vor allem Kathrin Lohmann darum gekämpft, dass der Tod ihrer Mutter aufgeklärt wurde und so den Prozess ins Rollen gebracht. Die Angehörigen hatten dem Ex-Staatsanwalt schon länger Versäumnisse vorgeworfen.

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