Kurz vor Beginn der Spargelsaison droht den Landwirten in Niedersachsen ein Ausfall der Erntehelfer. Wegen der Corona-Krise gelingt es den Betrieben derzeit nicht, Arbeitskräfte aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern zu bekommen. „Wir laufen auf eine bedrohliche Situation zu“, sagt Landvolk-Vizepräsident Ulrich Löhr. Große Teile der Ernte müssten womöglich auf den Feldern liegen bleiben. In den vergangenen Jahren hätten sich die Betriebe immer mehr vor allem auf osteuropäische Saisonarbeitskräfte verlassen, die bei der Spargel- und Erdbeerernte eingesetzt werden.
Den Vorschlag von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), auch Beschäftigte aus der Gastronomie in der Landwirtschaft einzusetzen, nehme er ernst, sagt Löhr. „In der Situation, in der wir uns jetzt befinden, gibt es keine Denkverbote.“ Auch Studenten seien als Erntehelfer willkommen. Der Arbeitgeberverband Agrar Genossenschaften Ernährung fordert deshalb auch von der Politik unter anderem eine befristete Lockerung des Arbeitszeitgesetzes. Außerdem sollten Arbeitslose, Asylbewerber und Bezieher vorzeitiger Altersrenten befristet mehr Geld hinzuverdienen dürfen.
„Es ist schwierig, die Erntehelfer werden nicht in voller Stärke anreisen“, sagt eine Sprecherin des Spargelhofs Thiermann in Kirchdorf (Kreis Diepholz). Die Angst, sich in Deutschland mit dem Coronavirus anzustecken, sei groß. Das Unternehmen gehe davon aus, in diesem Jahr nicht auf allen Flächen ernten zu können.
„Gerade überschlägt sich alles“, sagt Jörn Ehlers, der Verdener Kreislandwirt. Er hofft, dass eine Lösung gefunden wird, denn gerade Obst- und Gemüsebauern sind in Deutschland auf ausländische Erntehelfer angewiesen. Und die Zeit drängt. „Noch zwei bis drei Wochen, dann kann das so langsam losgehen“, schätzt der Kreislandwirt. Bis dahin müssten die Spargelbauern noch eine Menge vorbereiten, und auch dafür seien die helfenden Hände aus Polen und Rumänien erforderlich. Von anderen Landwirten hat Ehlers in den vergangenen Tagen gehört, dass ausländische Spargelstecher aktuell lieber zu Hause blieben. „Viele haben auch Angst, dass sie nicht mehr in ihre Heimatländer zurückfahren können, wenn es mit der Corona-Krise noch schlimmer wird“, sagt der Kreislandwirt.
Ernteausfälle und leere Regale in den Geschäften
Angesichts der sprunghaft ansteigenden Corona-Fälle in Niedersachsen fordert Löhr auch eine Strategie für den Fall, dass Landwirte in Quarantäne kommen. Angesichts der Entwicklung der Fallzahlen sei das möglich. „Wer versorgt dann die Tiere?“, fragt er. Außerdem sei jetzt die Zeit, in der die Felder bestellt werden müssten. Geschehe dies nicht, drohten auch deswegen Ernteausfälle und leere Regale in den Geschäften. „Die Landwirtschaft ist systemrelevant“, sagt Löhr. Eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums betont, dass zu diesem Thema bereits Gespräche mit dem Gesundheitsministerium stattfinden. Ergebnisse gebe es noch nicht.
Unterdessen ist die Frühjahrsbestellung der Felder in den meisten Regionen Niedersachsens angelaufen. „Die Düngung gehört zum Frühjahrsgeschäft dazu“, sagt der Sprecher der niedersächsischen Landwirtschaftskammer, Wolfgang Ehrecke. Der Dünger bewirke bei den jungen Pflanzen einen Wachstumsschub. Während noch vor etwa zwei Wochen die Flächen in vielen Regionen zu nass waren, um auf ihnen mit Maschinen zu fahren, habe sich die Situation inzwischen geändert. „Nach den ergiebigen Regenfällen, die ja nach den zurückliegenden zwei trockenen Jahren überaus willkommen waren, sind die meisten Flächen jetzt so weit abgetrocknet, dass sie wieder befahrbar sind und dass vielerorts gedüngt und Sommerweizen, Sommergerste und Hafer gesät werden können“, sagt der Sprecher der Landwirtschaftskammer.