Rum um den Stau mit einer individuellen Ausweichroute: Das verspricht das neue digitale Verkehrsmanagement des Landes Niedersachsen. Es soll nicht nur Autofahrer schneller und sicherer an ihr Ziel führen. Auch die Landesstraßenbaubehörde und die Polizeidirektionen wollen die Lagebilder in Echtzeit nutzen, um zügiger auf Unfälle oder Hindernisse mit Tempolimits, Streckensperrungen und Umleitungen reagieren zu können. „Wir können nicht jeden Stau verhindern, aber wir können den Verkehrsfluss deutlich effizienter gestalten“, erklärte Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) am Donnerstag in Hannover. Das bedeute weniger Stress, spare Zeit und schone das Klima.
„Jedes Fahrzeug erhält seine eigene Route“, sagte der Ressortchef und tippte zu Demonstrationszwecken als Zieladresse das Impfzentrum der Landeshauptstadt in seine Handy-App „Nunav“ ein. Das Gerät berechnete nicht nur Zeit und Strecke zum Messegelände, sondern schlug gleich auch noch freie Parkplätze vor. „Wir sind das erste Bundesland, das seine Verkehrsteilnehmer individuell zum Ziel führt“, schwärmte der Minister und lud andere Bundesländer, darunter explizit auch Bremen, zum Mitmachen ein. Die herkömmlichen Navigationssysteme würden zwar auch Staus und Sperrungen berücksichtigen, die Nutzer dann meist aber alle über dieselbe Alternativstrecke führen. „Da stehen Sie dann auch bald im Stau.“
System und App wurden von der Firma Graphmasters aus Hannover entwickelt. Das Land zahlt für Aufbau und den vorerst auf drei Jahre verabredeten Betrieb 180.000 Euro. Für Autofahrer und andere Interessierte ist die werbefreie Nutzung kostenlos. „Nunav“ wertet für die Navigation etliche Informationen aus: von Induktionsschleifen im Belag über Sensoren entlang der Straßen, Kamerabilder und Messgeräte bis hin zu GPS- und Mobilfunkdaten. Damit lassen sich Veränderungen von Geschwindigkeiten und die Auslastung der jeweiligen Streckenabschnitte erfassen. „Durch das Verschmelzen dieser Infos erhält das Land ein digitales Echtzeit-Verkehrslagebild“, berichtete Sebastian Heise, Chef des von ihm 2012 mitgegründeten Start-up-Unternehmens.
Eigene Route für jeden Nutzer
Für jeden einzelnen Nutzer draußen auf der Straße berechnet ein Algorithmus die jeweils günstigste Route. Die Messungen werden nach seinen Worten 1,5 Millionen Mal pro Minute aktualisiert. Dabei flössen auch die Anfragen anderer Autofahrer ein, so dass nicht gleich die Alternativstrecken verstopft würden, sagte Heise. „Wir wollen den Verkehr möglichst gleichmäßig auf das gesamte Straßennetz verteilen.“ Das System werde bereits seit Jahren erfolgreich von der Messe AG, dem Veranstalter Hannover Concerts und bei großen Sportevents für An- und Abfahrten der Besucher genutzt. Auch große Paketdienstleister setzten es in der Tourenoptimierung ein. Zieladressen könne man aus dem gesamten deutschsprachigen Raum sowie aus anderen Nachbarstaaten eingeben. Das gelte natürlich erst recht für Bremen, betonte Heise.
Allerdings könne man noch nicht auf die von der Hansestadt selbst generierten Verkehrsdaten zurückgreifen. Er hoffe aber, dass sich die benachbarten Bundesländer schnell dem System aus Niedersachsen anschlössen. Dabei versicherte der Manager, dass alle Daten anonym blieben. Die Polizei greife auf das so gewonnene Lagebild nur zur reinen Verkehrssteuerung zurück, ergänzte der Präsident der Landesstraßenbehörde, Eric Oehlmann. Auf der anderen Seite stehe ein sicherheitstechnischer Mehrwert. „Wir können künftig Unfallschwerpunkte besser erkennen.“ Mit der zum neuen Jahr gestarteten Autobahn GmbH des Bundes arbeite man als Landesbehörde eng zusammen, betonte Oehlmann. So könnten die vom digitalen Verkehrsmanagement berechneten Daten auch zur Verkehrslenkung auf den niedersächsischen Autobahnen, etwa bei den automatischen Tempo-Anlagen, eingesetzt werden. Langfristig könnten mit immer intelligenteren Autos die bisherigen Blechschilder ganz aus dem Straßenbild verschwinden. Schon ab dem 14. Januar will seine Behörde das sich ständig aktualisierende Echtzeit-Lagebild der Verkehrsmanagementzentrale für jeden frei und kostenlos im Internet unter www.vmz-niedersachsen.de zur Verfügung stellen.