Die Suche nach einem Endlager für den hoch radioaktiven Atommüll hat begonnen. Die Lagerstätte soll in sogenannten tiefen geologischen Schichten entstehen, also unter der Erde. Und von einer mindestens 100 Meter dicken Schicht aus Salz-, Ton- oder Granitgestein umschlossen sein – diese sogenannten Wirtsgesteine hat das im vergangenen Jahr novellierte Standortauswahlgesetz vorgegeben. Die strahlenden Abfälle sollen dort für eine Million Jahre von der Biosphäre abgeschirmt werden, und der Müll soll für die nächsten 500 Jahre rückholbar sein.
Dass die Wahl dabei letztlich auf Niedersachsen fällt, halten zumindest Umweltschützer für ziemlich wahrscheinlich. Die Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“ hat eine Deutschlandkarte mit Regionen veröffentlicht, die von der Endlagersuche betroffen sein könnten. Die Karte gibt auf Grundlage offizieller und öffentlich zugänglicher Daten der Bundesgesellschaft für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie der – nicht mehr existierenden – Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungs-Gesellschaft einen Überblick über Salzstöcke, Tongesteinformationen und Granitvorkommen.
Demnach liegen mehr als 30 von bundesweit rund 50 Salzstöcken in Niedersachsen. Als einziger wurde der Salzstock in Gorleben bereits über Jahrzehnte auf seine Eignung überprüft. Ob er als Atommülllager taugt, ist unter Wissenschaftlern stark umstritten. Die übrigen Salzstöcke in Deutschland verteilen sich auf Schleswig-Holstein und die neuen Bundesländer.
Auch beim Tongestein liegt Niedersachsen weit vorn: Ein massiver unterirdischer Ton-Gürtel zieht sich vom Westen des Bundeslandes über die Mittelweser-Region bis ins Braunschweiger Land, um dann in den östlichen Ländern auszulaufen. Kleinere Ton-Vorkommen gibt es darüber hinaus auch in Baden-Württemberg. Nur Granit kommt in Niedersachsen nicht vor, solche Gesteinsformationen finden sich nur in Sachsen und im Nordosten Bayerns.
Erste Datenabfrage wird ausgewertet
Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hatte im vergangenen August eine erste Datenabfrage an 64 Behörden in allen 16 Bundesländerm verschickt. Die Ämter sollten zunächst melden, welche Regionen für den Bau eines Endlagers nicht infrage kommen – entweder weil dort früher Bergbau betrieben wurde oder weil die Gebiete in einer möglichen Erdbebenzone liegen. Rund ein Dutzend Experten der BGE werten die Unterlagen zurzeit aus.
Das kann dauern. „Die Daten liegen weit verstreut und in sehr unterschiedlicher Form vor“, sagte eine Sprecherin der bundeseigenen Gesellschaft. Auch BGE-Geschäftsführerin Ursula Heinen-Esser räumte kürzlich bei einer öffentlichen Veranstaltung in Berlin ein, dass zwar alle Bundesländer Daten geliefert haben, aber nur acht in digitaler Form. Die Qualität der Rückmeldungen lasse eine rasche Bearbeitung nicht zu. Auf die Frage, ob Bundesländer auch bewusst Daten zurückhalten, damit der Kelch der Endlagersuche an ihnen vorbeigeht, antworteten BGE-Vertreter, dass sie dies nicht für wahrscheinlich hielten.
In einem nächsten Schritt will die bundeseigene Gesellschaft dann Regionen unter die Lupe nehmen, die sich grundsätzlich für die Errichtung einer solchen Endlagerstätte eignen könnten. Im weiteren Verfahren soll die Liste der möglichen Standorte dann nach und nach eingeengt werden, bis schließlich noch zwei oder drei Standorte übrig bleiben. Die sollen dann unterirdisch untersucht und miteinander verglichen werden.
Der Standort für ein Endlager soll bis 2031 gegefunden und benannt sein. Es soll rund 20.000 Tonnen hoch radioaktive Abfälle aufnehmen, also verbrauchte Brennelemente aus Atomkraftwerken und recycelten Atommüll aus ausländischen Wiederaufarbeitungsanlagen. Die Abfälle werden in etwa 2000 Castorbehältern verpackt sein, das entspricht einem Atommüll-Zug von elf Kilometern Länge.