Der Name des Paragrafenwerks klingt unscheinbar, doch in seinen Tiefen lauern die Fallstricke: Das seit fast vier Jahren geplante Geologiedatengesetz des Bundes, das nicht zuletzt das Faktensammeln für ein künftiges Atommüll-Endlager sicherstellen soll, sorgt für Streit. Das Ressort von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) hat im zuständigen Ausschuss des Bundesrats weitreichenden Zugeständnissen an die Industrie zugestimmt.
Dies gefährde massiv ein ergebnisoffenes Suchverfahren, warnen Anti-Atom-Aktivisten und der Landtag. Zunächst gab es dem Vernehmen nach wegen der vorgesehenen Ausnahmen für Förder-Unternehmen auch einige Bedenken in der rot-schwarzen Landesregierung. Diese seien inzwischen aber bis auf einen kleinen Punkt ausgeräumt, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dem WESER-KURIER. Die Interessen der Öffentlichkeit und die der Wirtschaft seien angemessen austariert. Am Freitag will die Länderkammer über den Entwurf der Bundesregierung abstimmen.
„Geologische Daten werden insbesondere benötigt (…) zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle“, heißt es gleich im ersten Paragrafen unter Punkt vier über den Zweck des neuen Gesetzes. Dieses regelt den Zugriff der zuständigen Behörden auf geologische Daten über Grundwasservorkommen, Bodenschätze oder Gesteinsformationen, aber auch auf die Ergebnisse von Bohrversuchen, hydraulischen Tests oder Laboranalysen. Auch private Firmen etwa aus dem Bereich der Öl- und Gasgewinnung müssen unter bestimmten Bedingungen ihr Material rausrücken.
Kritik von der Industrie
Dem Bundesverband der Industrie (BDI) gehen die Pläne allerdings zu weit. Die Lobbyisten sorgen sich um Geschäftsgeheimnisse und Wettbewerbsfähigkeit, warnen gar vor einer Verfassungswidrigkeit der neuen Regeln. „Ein großer Teil der von den Betrieben nach diesem Gesetz zu liefernden hochsensiblen Daten würde keinen Wert für die Endlagersuche darstellen“, heißt es in einer Stellungnahme des BDI für den Bundesrat, die dem WESER-KURIER vorliegt.
Darin schlägt der Verband detailliert eine erhebliche Einschränkung einzelner Eingriffe vor und liefert die passenden Formulierungshilfen für die zu ändernden Paragrafen gleich mit. So soll das Bereitstellen von „nichtstaatlichen Fachdaten“ an Behörden nicht erfolgen, „soweit die Oberfläche eines Gebirgsbereichs nicht mindestens 300 Meter unter der Geländeoberfläche liegt“. Die Veröffentlichung von Daten will der BDI zudem nur in ganz engen Grenzen und dann auch nur für solche, die für die Endlagersuche relevant sind, zulassen. Gleichzeitig fordert die Wirtschaft eine deutliche Ausweitung ihres Schutzes gegen behördliche Anordnungen.
Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats folgte diesen Wünschen teilweise – mit tatkräftiger Hilfe aus Hannover. Eine Tabu-Grenze für private Geodaten solle kommen, wenn auch nur bis 100 Meter Tiefe, entschied das Gremium nach knapper Abstimmung auf Antrag von Rheinland-Pfalz mit dem ausdrücklichen Ja Niedersachsens. Für erweiterte Rechtsmittel der Unternehmen stellte Niedersachsen sogar selbst den Antrag und bekam dafür ebenfalls eine Mehrheit.
Dadurch werde der Zugang der Öffentlichkeit zu den für eine Endlagersuche potenziell wichtigen Daten erheblich erschwert, kritisieren Aktivisten aus dem Wendland. „Vertrauen in den Auswahlprozess eines Endlagerstandorts kann nur entstehen, wenn Transparenz bis zur letzten Zahl herrscht“, fordert Asta von Oppen, Sprecherin der Rechtshilfe Gorleben. „Nur so ist eine genaue Überprüfung möglich.“ Als Bürger müsse man schließlich wissen, warum hier und nicht dort.
Daten liegen nur zu Niedersachsen vor
Die Befürchtung: Weil Niedersachsen wegen seiner Öl- und Gasfelder sowie seiner Salzstöcke geologisch so weit wie kein anderes Bundesland erfasst ist, könnte es im Rest der Republik als Atommüll-Standort schnell als gesetzt gelten, vielleicht sogar wieder das längst stillgelegte Erkundungsbergwerk in Gorleben ins Spiel zurückkehren. Davor warnte auf der Januar-Sitzung des Landtags nicht nur Grünen-Fraktionsvizechefin Miriam Staudte mit Blick auf Länder wie Bayern, die ein Endlager bei sich bisher kategorisch ablehnen.
„Wir müssen aufpassen, dass unser Vorteil der fossilen Rohstoffe nicht zu einem Nachteil bei der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle wird“, meinte auch der CDU-Umweltexperte Martin Bäumer. „Denn es besteht die große Gefahr, dass man irgendwann aufgrund von Zeitknappheit und zur Beschleunigung der Entscheidung sagt: Das Endlager kommt in ein Gebiet, zu dem es schon Daten gibt.“ Und das sei dann eben nur Niedersachsen. „Das können wir nicht akzeptieren.“