11,5 Millionen Euro Honorar hatte der Bremer Rechtsanwalt Uwe Kuhmann sich 2007 zu viel für die Insolvenzverwaltung der Wiesmoorer Tiefbaufirma Bohlen & Doyen ausgezahlt – mit Billigung des Auricher Landgerichts. Geld, das eigentlich anteilig den rund 3000 Gläubigern zusteht – Mitarbeitern für Lohn und Sozialleistungen, Lieferanten für Waren und Dienstleistungen, Geschäftspartnern und Banken für Kredite. Doch auch nachdem das Auricher Gericht das Honorar sechs Jahre später im Herbst 2013 auf rund 20 Prozent der Ursprungssumme von 14,5 Millionen Euro kürzte und einen neuen Verwalter einsetzte, denkt Kuhmann offenbar nicht an Rückgabe. Und auch sein Nachfolger Dieter Mönning aus Aachen, den das Gericht eigens als Sonderverwalter bestellte, um die Rückzahlung zu betreiben, hat es damit offensichtlich nicht eilig.
„Der Gerichtsbeschluss ist ja kein vollstreckbarer Titel“, erläutert der pensionierte Bremer Insolvenzrichter Volker Drecktrah. Drecktrah arbeitet heute selbst in einer Bremer Fachkanzlei für Insolvenzrecht und ist zugleich Ombudsmann im Verband der Insolvenzverwalter in Deutschland. Einen Fall wie diesen kennt er nicht. Insgesamt hätten sich 2014 nur 19 Gläubiger über einen der rund 2000 Insolvenzverwalter in Deutschland beschwert, wird er am 1. Mai auf dem Verbandstag in Mannheim berichten. Die Sanierer und Abwickler erhalten ein Honorar, das sich grundsätzlich nach der Summe richtet, die sie für die Gläubiger retten. „Im Fall von Lehman Brothers Deutschland etwa ging es um drei Milliarden Euro. Da sind dem Verwalter unvorstellbare 600 Millionen zugeflossen. Allerdings war der Aufwand auch gewaltig“, sagt Drecktrah. Auch wenn solche Summen regelmäßig öffentliche Empörung auslösten, beschwerten sich bei ihm meistens Privatleute oder Unternehmen, die sich gegenüber anderen Gläubigern unfair behandelt fühlten. Im Fall Bohlen & Doyen sei es nun Aufgabe des neuen Verwalters, das ungerechtfertigt geflossene Honorar für alle Gläubiger einzuklagen.
Das hat der neue Verwalter allerdings nicht vor, auch nachdem Kuhmann seine Zahlungsaufforderung inzwischen schriftlich abgelehnt hat. Gegenüber Radio Bremen teilte Mönnings Pressesprecher mit, es sei eine „komplexe juristische Situation“ entstanden, in der womöglich beide Seiten Ansprüche hätten. Mönning arbeite deshalb an einer rechtlich vertretbaren und wirtschaftlich angemessenen Gesamtlösung. Auf eine Anfrage des WESER-KURIER reagierte Kuhmann am Mittwoch nicht. Für ihn interessieren sich nicht nur die Unternehmensgläubiger von Bohlen & Doyen, das inzwischen an einen niederländisch-tschechischen Investor verkauft wurde, sondern auch Staatsanwälte. Im vergangenen Sommer hat die Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Osnabrück Kuhmann vor dem Landgericht Aurich wegen Betrugsverdacht in einem besonders schweren Fall angeklagt. Nach jahrelangen Ermittlungen bestehe zumindest bei einer Summe von 150 000 Euro ein hinreichender Verdacht der Untreue. Das Gericht hat indessen auch nach zehn Monaten noch nicht entschieden, ob es das Verfahren eröffnet. Auch der Rechtspfleger, der Kuhmann die 14,5 Millionen Euro Honorar anstandslos bewilligte, geriet ins Visier die Ermittler. „Wir sahen einen hinreichenden Verdacht für Rechtsbeugung, Bestechlichkeit und Beihilfe zur Untreue“, sagt Staatsanwalt René van Münster. Das Oberlandesgericht Oldenburg lehnte ein Verfahren in diesem Fall jedoch inzwischen endgültig ab, da die Richter die Belege nicht für stichhaltig hielten.