Oldtimermärkte gibt es viele. Dieser aber ist anders. Ländlich, urig und abgefahren. Im friesischen Bockhorn treffen sich an diesem Wochenende Menschen, die oft so sehr Originale sind wie die Autos und Teile auf dem Markt.
Jean Davids ist Zündapp-Jean, so wird er genannt, und das sagt schon viel über den Mann, aber längst noch nicht alles, wie sich herausstellen wird. Der 54-Jährige handelt mit der ganzen Palette, mit allem, was Zündapp ist. Mit Motorrädern natürlich, Mofas und Rollern, mit Bootsmotoren und Rasenmähern, mit Ersatzteilen, großen und ganz kleinen. Es ist, kurzum, die ganze Welt der einen Marke. Einen kleinen Ausschnitt davon präsentiert der Niederländer an diesem Wochenende in Bockhorn, beim internationalen Oldtimermarkt.
Sein Stand ist umlagert, kaum ein Rankommen an den Mann. Hat man ihn aber erst einmal, gibt es kein Halten mehr. Davids fängt das Alphabet sozusagen von hinten an und bleibt beim ersten Buchstaben hängen: Z wie Zündapp, davon weiß er so viel, dass der Laie nicht mehr mitkommt und nur noch fasziniert ist, wie jemand so fixiert sein kann.
„Meine erste Zündapp hatte ich mit zwölf“, sagt er, seitdem, nun ja, ist er entzündet. Wie sehr, kann man an seinen Armen sehen. Sie sind übersät von Tattoos, die Produkte von Zündapp zeigen.
Jeanette ist jetzt Jean
Davids hat aber noch eine andere Geschichte, und die erzählt er so: „Es kam jemand zu mir in den Laden und fragte nach Jeanette, wo sie geblieben ist.“ Davids grinst, während er das sagt, er freut sich auf die Pointe. „Da habe ich ihm gesagt, dass es Jeanette nicht mehr gibt, dass ich aber zufällig dieselben Tattoos auf den Armen habe, ob er mal schauen will.“ Jeanette war zu Jean geworden. „Ich habe mich vor 13 Jahren operieren lassen.“
Typen, reichlich davon, auf dem Oldtimermarkt im friesischen Bockhorn. Autos auch, aber eher weniger. Da steht ein cremefarbener Borgward, eine Isabella Coupé, schön anzusehen. Da gibt’s einen Rolls-Royce, viel VW und Mercedes, allerhand andere Marken, Trecker noch, und weitere Nutzfahrzeuge. In erster Linie ist es aber der Teilemarkt, der die Besucher anzieht. Und das Drumherum.
Auf 150 000 Quadratmetern macht sich jedes Jahr eine Veranstaltung breit, die so ländlich, urig und abgefahren ist, dass sie vielleicht zu Recht beansprucht, die schönste dieser Art in Europa zu sein. An der langen Theke des Biergartens mittendrin gibt es Kuchen vom Blech, sonnabends und sonntags den legendären Erdbeerkuchen, und Kaffee aus Tassen, die der Veranstalter aus alten Tschibo-Beständen erworben haben muss. Farbe und Design wie in den 70er-Jahren. Wer richtig Hunger hat, nimmt die Erbsensuppe und zum Nachtisch rote Grütze.
Der Markt ist ein Fest auf der Wiese. Hohe Bäume an den Rändern, nebenan weiden Pferde. Es knattert, brummt und röhrt überall, in der Luft Benzin, das gehört dazu. Wie eine riesige Freiluftwerkstatt mit Hunderten von Schraubern, die alle zu tun haben. Sie helfen sich gegenseitig, fachsimpeln, probieren aus. Oder tun auch mal nichts.
Bowle trinken und Blödsinn reden
Thomas hat wieder seine Clique am Tisch. 15 Männer und eine Frau, die selbst gemachte Erdbeerbowle trinken, Blödsinn reden und fröhlich sind. „Wir machen das mit Unterbrechungen seit 30 Jahren“, sagt Thomas, der in Bockhorn zu Hause ist. Seit er 18 war, gehörten der Markt und sein Stand zu seinem Leben dazu.
Die Runde am Tisch, über dem ein antiker Kronleuchter baumelt, der dem Ganzen erst das richtige Gepräge gibt, ist ein Club alter Freunde. Teilweise kommen sie von weither, „aus Hamburg, Oberhausen und aus Varel“, sagt Thomas. Varel liegt nur ein paar Kilometer von Bockhorn entfernt. Die Freunde sehen sich beim Oldtimermarkt wie es andere bei Klassentreffen tun. Thomas schenkt Bowle aus und legt Fleisch in die Pfanne, das ist es schon.
Ein bisschen Ware hat er auch. Bohrmaschinen zum Beispiel, die nicht funktionieren. Ein Scherz? „Nein, die Leute wissen das, ich sag’s ihnen ja, und kaufen trotzdem.“ Er hat Teile von Mercedes oder für Motorräder im Angebot, ein paar Blechautos und viel Krimskrams. „Manchmal habe ich keine Ahnung, was das ist, und dann kommt plötzlich jemand und erklärt es mir“, erzählt Thomas. Die Runde lacht, es wird ein fideler Abend.
Irgendwo hinten auf dem Platz ein Lärm wie aus vielen Motoren gleichzeitig. Und tatsächlich: Vier Jungs mit ihren Mofas, die im Leerlauf ordentlich Gas geben und sich dabei unterhalten. André, Fabian, Nico und Eike, alle 16 Jahre alt und aus Bockhorn. Landjugend. Früher gehörte eine Mofa dazu, heute offenbar wieder.
Drei fahren eine Puch, nur Eike schert aus, er sitzt auf einer Vespa Piaggio. „Ich würde auch gerne eine Puch fahren, aber dafür hat das Geld nicht gereicht“, sagt Eike. „Kann ja noch werden“, tröstet er sich. Seine Kumpels mussten für die fast 40 Jahre alten Mofas ein paar Hundert Euro hinblättern, erzählen sie. Reparatur und zusätzliche Teile noch nicht mitgerechnet. Eine Menge Geld für die Schüler.
Die Jungs treffen sich im Dorf regelmäßig zum Schrauben. Ein bisschen an den Motoren fummeln, sehen, was geht. Frisieren, aber psst!: Muss ja nicht jeder wissen. „So extrem machen wir das nicht.“ Mofas finden sie cool. „Ein ganz anderes Fahrgefühl als auf einem Roller, außerdem klingen die scheiße.“
Der Internationale Bockhorner Oldtimermarkt geht an diesem Sonntag zu Ende. Geöffnet ist er ab 8 Uhr bis in den Abend hinein. Der Eintritt kostet zehn Euro.