Die einen sehen Videoüberwachung als Gewinn für die Sicherheit – Kritiker sprechen dagegen von einem tiefen Eingriff in die Privatsphäre. So oder so: Fakt ist, dass die Videoüberwachung im öffentlichen Raum in Niedersachsen immer mehr ausgeweitet wird.
In Emden kommt jetzt ein weiterer Platz hinzu, den Polizei und Stadt überwachen wollen.
Der Grund: Auf dem Neuen Markt kommt es nach Auskunft der Polizei immer wieder zu alkoholbedingten Straftaten. Das Sicherheitsgefühl der Bürger sei stark beeinträchtigt. Sperrzeiten für Kneipen und Restaurants hätten an dem Problem nichts geändert. Nun soll der Platz rund um die Uhr überwacht werden.
Das trifft sich mit den Rufen nach einer verstärkten Videoüberwachung, die nach den Terrorangriffen im vergangenen Jahr in Ansbach, Würzburg und Berlin immer lauter geworden sind. Allerdings: Wenn die Überwachung des Platzes in Emden am Montag gestartet wird, hat dies nichts mit Terrorbekämpfung zu tun. Es dient dem Ziel, auf der Kneipenmeile betrunkene Menschen von Straftaten abzuhalten. Ob dies so funktioniert, steht dahin. Selbst die Befürworter räumen ein, dass diese Art der Überwachung möglicherweise keine Straftaten verhindere, aber in jedem Fall die nachgelagerten Ermittlungen erleichtere.
Polizei überwacht viele öffentliche Plätze
Die Videoüberwachung ist inzwischen vielerorts normal geworden. In Niedersachsen überwacht die Polizei derzeit in Oldenburg, Wilhelmshaven, Hildesheim, Sarstedt, im Industriehafen Stade-Bützfleth, Osnabrück, und Hannover eine ganze Reihe öffentlicher Plätze, etwa vor Fußballstadien oder Bahnhöfen. Hinzu kommen zahlreiche Überwachungskameras an Autobahnkreuzen und anderen Straßen. Dabei dürfen die Kameras nicht beliebig aufgestellt werden.
Das Datenschutzrecht erlaubt den Einsatz von Überwachungskameras nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. So darf es laut Polizeigesetz nur an kriminalitätsbelasteten Orten Videoaufzeichnungen geben. Das heißt, es muss in der Vergangenheit schon zu erheblichen Straftaten gekommen sein, sagt der Sprecher der Landesdatenschutzbeauftragten, Mattias Fischer. „Mehrere Diebstähle rechtfertigen noch nicht die Videoaufzeichnung.“
Anders ist es bei elektronischen Überwachungen zum Beispiel bei Karnevalsumzügen oder Volksfesten. Hier greift das Gesetz, das Videoüberwachungen an Orten erlaubt, an denen terroristische Straftaten zu erwarten sind. In Bussen und Bahnen gilt laut Fischer wieder der Grundsatz, dass es auf der entsprechenden Bus- oder Bahnlinie bereits zu Straftaten gekommen ist.
Bürger müssen auf Videoüberwachung hingewiesen werden
„Wenn es auf einer bestimmten Bahnlinie regelmäßig Vandalismus oder Diebstähle gibt oder Menschen verprügelt werden, und das ist über eine Zeit lang beobachtet worden, dann darf ich auf dieser Strecke Kameras in die Bahn oder die Busse einbauen.“ Grundsätzlich gilt, dass die Bürger über die Videoüberwachungen informiert werden müssen. Das heißt, dass es sowohl auf öffentlichen Plätzen als auch in Einkaufszentren, Geschäften, Bussen, Bahnen oder auf Bahnhöfen klare Hinweise auf die Videoüberwachung geben muss.
Die Bundesregierung möchte die Videoüberwachung grundsätzlich erleichtern. Insbesondere zielt das in Vorbereitung befindliche „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ auf die Überwachung durch private Betreiber. Das klassische Beispiel dafür ist das Einkaufszentrum. Dabei handelt es sich zwar um ein privates Gelände, aber gleichzeitig um einen öffentlich zugänglichen Raum. Und genau dort will die Bundesregierung den Einsatz von Kameras erleichtern.
Zu Sinn, Nutzen und Berechtigung eines Ausbaus der Videoüberwachung gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) lehnt zum Beispiel eine flächendeckende Videoüberwachung und Ausweitungen ohne eindeutig definierten Anlass ab. Bei Weihnachtsmärkten oder Volksfesten dagegen sollten aus seiner Sicht allerdings die Voraussetzungen geschaffen werden, um eine zielgerichtete Videoüberwachung zu ermöglichen.
Datenschützer sehen Aufzeichnungen kritisch
Datenschützer betrachten eine Ausweitung der Videoüberwachung dagegen eindeutig kritisch. „Der Grundsatz ‚Viel hilft viel‘ stimmt bei der Videoüberwachung nicht“, sagt Fischer. Zwar seien die Aufzeichnungen bei der Identifizierung von Tätern und der Aufklärung von Verbrechen hilfreich, wie jüngste Beispiele aus der Berliner U-Bahn zeigten.
Aber es bleibe am Ende doch fraglich, ob die Überwachung helfe, Straftaten zu vermeiden. Das werde am Beispiel Großbritannien deutlich, dort vor allem in London, wo der öffentliche Raum fast flächendeckend videoüberwacht sei.
Kritiker sehen auch einen eindeutigen Nachteil bei der Videoüberwachung: Wer sich ständig beobachtet fühlt, ändert – auch unbewusst – sein Verhalten, sagen Kritiker. Man scheut ein unbefangenes Auftreten in der Öffentlichkeit, der Einfluss auf die Privatsphäre ist damit sehr groß. Außerdem: Wer weiß, dass ein Platz videoüberwacht wird, scheut sich möglicherweise, an Veranstaltungen wie einer Demonstration teilzunehmen.