Wohin mit dem Pferd, wenn Schicksalsschläge die Haltung künftig unmöglich machen? Ein Problem, das gar nicht so selten ist. In Norderbrarup gibt es dank Petra Teegen Abhilfe: Eine anonyme Abgabestelle soll Elend verhindern helfen – bei Mensch und Tier.
Petra Teegen ist eigentlich Krankenschwester. Aber zur Retterin ist sie in diesem Jahr vor allem für Pferde geworden. Im Sommer richtete die 60-Jährige aus Norderbrarup im Kreis Schleswig-Flensburg eine Pferdeklappe ein – wohl die erste in ganz Deutschland. Dem Begriff der Babyklappe nachempfunden, können hier Menschen in Notsituationen ihr Pferd abgeben – wenn gewünscht, auch anonym. „Die Weide ist 100 Meter vom Haus weg“, erzählt Teegen. „Es gibt eine Notbox mit unserer Telefonnummer, da kann man anrufen, sagen: Ich habe mein Pferd abgegeben, und wieder auflegen.“
Im Prinzip nimmt Teegen, die seit Kindertagen reitet, schon seit 20 Jahren bedürftige Pferde auf. Den Hof führt inzwischen ihr Sohn. Ordnungsämter und Veterinäre brachten Pferde, deren Besitzer sich nicht mehr kümmern konnten, durften oder wollten. 2013 hat sie nun mit anderen Engagierten einen Verein gegründet, Pferdeklappe e.V., „weil man das alleine nicht schafft“. Sie ist die Vorsitzende, auch zwei Tierärzte sitzen im achtköpfigen Vorstand.
Fast könnte man sagen, Teegen hat eine Marktlücke entdeckt, denn das Interesse und der Bedarf sind groß. Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung – es gebe viele Gründe, sein Pferd abgeben zu müssen, sagt die 60-Jährige. Manche Fälle gehen ihr nah: Das Turnierpferd etwa, das Anfang des Jahres noch Siege errang. Doch dann starb seine 16-jährige Reiterin. Oder die junge Frau, die von ihrem Mann verlassen worden war. Zwei Kinder, der Beruf – es ging nicht mehr. Oder die 25-Jährige, die erfuhr, dass sie nur noch wenige Wochen zu leben hatte. „Sie hatte nur sich und das Pferd, kein Kind, keine Familie. Mit letzter Kraft hat sie dieses Pferd zu uns gebracht. Sie sagte dann zu mir: Jetzt kann ich in Ruhe sterben.“
Auch sterbende Tiere kämen zur Klappe, erzählt Teegen. Um manches Pferdeleben kämpfe der Tierarzt. Aber manchmal sei das „Schlafengehen“ besser. Von 55 Fällen seit Juli seien das aber nur ganz wenige traurige gewesen. „Wenn Sie so ein Pferd aufgepäppelt haben, und dann kommen Leute, die sind so glücklich, dass sie das Pferd haben können...“ Denn auf den Pferden bleibt Petra Teegen nicht sitzen, im Gegenteil: Es existiert eine Warteliste.
Aus ganz Deutschland bekommt der Hof in Angeln Anfragen, und aus ganz Deutschland kommen auch die Pferde, die die Pferdeklappe gegen eine Erstattung der entstandenen Kosten abgibt. Wird ein Pferd zur Klappe gebracht, wird es gleich vom Tierarzt untersucht. „Man weiß ja nicht, was sie haben, Krankheiten, Ungeziefer – das ist heftig, was da manchmal kommt.“ Deshalb baut der Verein derzeit an: Notunterkünfte für Isolierungen. 17 Plätze stehen auf dem Hof für Notfälle zur Verfügung. Drei sind zurzeit belegt.
Wenn sie weitervermittelt werden, wird der Verbleib bei den neuen Besitzern kontrolliert. Interessenten können sich auch via Facebook melden. Dort finden Teegen und ihre Mitstreiter viel Zuspruch: „Ich finde Eure Idee und Eure Arbeit auch bemerkenswert“, heißt es da, oder: „Ich gönne es jedem Pferd, in ein schönes Zuhause zu kommen und nicht beim Schlachter zu enden.“ Ein Gnadenhof, stellt Teegen klar, sei die Pferdeklappe aber nicht. Die Besitzer der Tiere müssten schon in einer Notlage sein. Sie hofft auf bundesweite Nachahmer, der Bedarf sei da.
Stark gestiegene Preise für Heu und Stroh hätten das Problem in den vergangenen Jahren verschärft. „2000 habe ich für eine Klappe Stroh acht Mark bezahlt, jetzt 30 Euro.“ Sie hofft, dass die Klappe weiter Unterstützung bekommt. Als sie im Verein den Vorschlag zur Gründung machte, seien alle Hände hochgegangen. „Und das in unserer hektischen und kalten Zeit. Aber das ist auch Motivationssache.“