Das neue Entlastungspaket der Bundesregierung sorgt auch in Niedersachsen für gemischte Reaktionen. Ministerpräsident Stephan Weil bezeichnete das Paket als großen Schritt. „Ich bin insgesamt sehr zufrieden mit dem Ergebnis, auch wenn noch nicht alles bis zum Ende durchbuchstabiert ist." Entscheidend sei das klare Signal, dass die Bundesregierung sendet. "Das bedeutet selbstverständlich auch, dass sich die Länder an der Finanzierung beteiligen müssen. Wir haben es mit einer gesamtgesellschaftlichen Krise zu tun und der gesamte Staat muss dabei helfen, diese Krise zu überwinden. Insofern kann ich die Kritik aus einigen Ländern nicht nachvollziehen."
SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder bewertete das Entlastungspaket III ebenfalls positiv. Insbesondere die Teilfinanzierung eines bundesweit gültigen Nahverkehrstickets sei ein Erfolg: „Das Neun-Euro-Ticket hat gezeigt: Die Menschen steigen auf den ÖPNV um, wenn das Angebot attraktiv ist.“ Niedersachsen werde sich an der Finanzierung eines Nachfolgetickets beteiligen. „Die Kritik des niedersächsischen Finanzministers Reinhold Hilbers kann ich daher nicht nachvollziehen. Die Menschen brauchen jetzt nachhaltige Lösungen. Die CDU steht mit beiden Füßen auf der Bremse und weigert sich, den Menschen schnell und effektiv zu helfen.“
Lob kam auch von FDP und Grünen. Julia Willie Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, erklärte, das Paket sei besser als bisher auf bestimmte Gruppen von Betroffenen ausgerichtet und habe damit "eine stärkere Lenkungswirkung". "Von der Landesregierung erwarten wir, dass sie sich aktiv und konstruktiv in diesem Sinne bei den Beratungen für das neue Nahverkehrsticket einbringt. Gleichzeitig muss die Regierung als Ergänzung zum Bund auch ein Entlastungspaket des Landes schnüren – und zwar vor der Wahl." Niedersachsen brauche einen eigenen Rettungsschirm, um Landeseinrichtungen und kommunale Einrichtungen, kommunale Unternehmen und soziale Einrichtungen gegen die hohen Energiekosten abzusichern.
Der Vorsitzende der niedersächsischen FDP-Landtagsfraktion, Stefan Birkner, kommentierte: "Es ist gelungen, die Menschen im Land wirksam zu entlasten, ohne neue Schulden aufzunehmen oder Steuern zu erhöhen." Auch er forderte mehr Engagement der Landesregierung. "Jetzt sollte sich Finanzminister Hilbers nicht beschweren, sondern an die Arbeit machen und zur Finanzierung der genannten Maßnahmen noch im September-Plenum einen Nachtragshaushalt vorlegen.“
Kritik von der CDU
Kritik kam vom Regierungspartner CDU. Hinsichtlich der finanziellen Belastung der Länder zeigte sich Finanzminister Hilbers verärgert. „Unabhängig davon, wie man die kostspieligen Maßnahmen im Einzelnen bewerten mag und auch unabhängig davon, dass hier vieles noch im Ungewissen bleibt, hat die Ampel einmal mehr ohne die Länder vorab auch nur zu informieren, Maßnahmen beschlossen, die enorme Auswirkungen auf die Länderhaushalte haben werden", wurde er in einer Pressemitteilung zitiert. Die Entlastungsmaßnahmen seien nicht zielgerichtet und damit teuer.
Allein für die geplante Einführung eines bundesweiten Nahverkehrstickets erwarte der Bund, dass die Länder 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, so Hilbers weiter. "Für Niedersachsen wären das dauerhaft vermutlich rund 150 Millionen Euro. Spielraum im Haushalt sehe ich dafür wahrlich nicht. Wenn das gestemmt werden muss, müssen Leistungen oder andere wünschenswerte Vorhaben auf den Prüfstand." In dieser Zeit großer Herausforderungen sei es wichtig, dass sich Bund und Länder eng abstimmen. "Auch wir Länder wollen nachhaltige Finanzen und die Schuldenbremse einhalten." Wie viel das Entlastungspaket das Land Niedersachsen letztlich insgesamt kosten wird, ist noch nicht absehbar. Wie die Staatskanzlei auf Anfrage des WESER-KURIER mitteilte, werde die Berechnung noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann kritisierte das Entlastungspaket. „Dieses Paket wirkt tatsächlich wuchtig, aber bei näherer Prüfung bleibt es hinter den Ankündigungen und den damit geweckten Erwartungen weit zurück“, sagte der CDU-Politiker zu „Focus Online“. Echte Entlastung sehe anders aus, urteilte er. „Dieses Paket kann als Arbeitsgrundlage verstanden werden für eine echte, umfassende Entlastung, die gemeinsam mit den Ländern erarbeitet werden muss.“ Konkret fehlt Althusmann eine schnelle Hilfe für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für Firmen. „Vor allem die Entlastung der Mittelschicht, der hart arbeitenden Mitte unserer Gesellschaft, ebenso wie der kleinen und mittleren Betriebe wurden offenbar ausgespart“, bemängelte der stellvertretende Ministerpräsident. Noch regieren in Hannover SPD und CDU zusammen.
Wie am Montag bekannt wurde, sollen die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer "zeitnah" zu einem Bund-Länder-Gipfel zusammenkommen, um über die Kosten für das geplante Entlastungspaket zu reden. Scholz sei bereits „in die Terminfindung“ für eine Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz eingestiegen, um möglichst schnell ins Gespräch mit den Ländern zu kommen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.