Die Koalition hat sich nach stundenlangen Verhandlungen auf weitere finanzielle Entlastungen für die Menschen in Deutschland geeinigt. Das neue Entlastungspaket habe ein Volumen von mehr als 65 Milliarden Euro, sagte Olaf Scholz, und sei damit größer als die ersten beiden Entlastungspakete zusammen. "Unser Land steht vor einer schweren Zeit", sagte der Bundeskanzler, stellte aber auch klar: "Wir werden durch diesen Winter kommen."
Diese Maßnahmen stecken im neuen Entlastungspaket:
- Das Kindergeld soll zum Jahresbeginn um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind steigen.
- Studierende sollen eine Einmalzahlung von 200 Euro erhalten.
- Rentnerinnen und Rentner sollen eine Einmalzahlung von 300 Euro erhalten.
- Mit der geplanten Einführung des Bürgergelds Anfang kommenden Jahres sollen die Regelsätze für Bedürftige auf rund 500 Euro erhöht werden. Heute erhalten Alleinstehende in der Grundsicherung 449 Euro pro Monat.
- Für einen gewissen Basisverbrauch an Strom soll künftig dank einer "Strompreisbremse" ein vergünstigter Preis gelten. Für einen zusätzlichen Verbrauch darüber hinaus wäre der Preis nicht begrenzt.
- Übermäßige Gewinne am Strommarkt sollen abgeschöpft werden.
- Mehr Menschen als bisher sollen Wohngeld erhalten. Der Kreis der Wohngeldberechtigten werde auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert. Das Wohngeld werde zudem eine dauerhafte Klimakomponente und eine dauerhafte Heizkostenkomponente enthalten, um die steigenden Energiepreise stärker abzufedern.
- Für die Heizperiode soll von September bis Dezember 2022 einmalig ein weiterer Heizkostenzuschuss an die Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld gezahlt werden. Der Zuschuss werde für die Wohngeldberechtigten dauerhaft in das Wohngeld integriert: Die Zuschüsse betragen laut Beschlusspapier 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt, 540 Euro für zwei Personen und für jede weitere Person zusätzliche 100 Euro.
- Zusatzzahlungen von Arbeitgebern an ihre Beschäftigten wegen der hohen Preise in Deutschland sollen bis zu einer Höhe von 3000 Euro steuer- und abgabefrei sein.
- Es soll ein neues bundesweit gültiges Nahverkehrsticket geben. Ziel sei eine Preisspanne zwischen 49 und 69 Euro im Monat. Die Länder müssen der Finanzierung noch zustimmen.
Es gehe um sehr viel Geld, aber die Ausgaben seien notwendig, sagte Scholz. Zum Ziel der Entlastungen sagte er: „Es geht darum, unser Land sicher durch diese Krise zu führen.“ Viele Menschen machten sich derzeit Sorgen. „Wir nehmen alle diese Sorgen sehr, sehr ernst.“ Erneut betonte der Kanzler: „You’ll never walk alone, wir werden niemanden alleine lassen.“
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Das neue Paket ist nach Angaben von Finanzminister Christian Lindner ohne eine weitere Aussetzung der Schuldenbremse finanzierbar. „Diese Maßnahmen finden statt innerhalb der bisherigen Haushaltsplanungen der Bundesregierung“, sagte der FDP-Chef. Möglich sei dies unter anderem durch Vorsorge, die schon im Haushalt getroffen worden sei, sagte Lindner. Auch kämen an anderer Stelle Einnahmen hinzu.
Grünen-Chef Omid Nouripour bilanzierte: „Wir sind erschöpft, als Grüne, aber ich glaube, (es) geht nicht nur uns so.“ Er sagte: „Alle mussten einen weiten Weg gehen für einen großen Sprung.“
Mit den ersten beiden Entlastungspaketen wurde bereits der Strompreiszuschlag zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) abgeschafft, es gibt eine Energiepauschale von 300 Euro für alle Beschäftigten und eine Einmalzahlung von 100 bis 200 Euro für alle Arbeitslosen, das Kindergeld wurde einmalig um 100 Euro pro Kind aufgestockt, drei Monate lang bis August wurde der Spritpreis gestützt, und es gab für die Monate Juni, Juli und August das 9-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr.
Gewerkschaften, Linke und AfD wollen nach eigenen Angaben unzufriedene Menschen möglicherweise zu Protesten im Herbst aufrufen. Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es geht um nicht weniger als die Frage, ob es gelingt, die Bürgerinnen und Bürger wirksam und nachvollziehbar zu entlasten, oder ob die wachsende Unsicherheit zu einem Bruch des gesellschaftlichen Zusammenhalts führt.“