Anlass zur Selbstkritik sah Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nicht. Was denn in den ersten 100 Tagen Amtszeit seiner neuen rot-grünen Landesregierung besser hätte laufen können, wurde deren Chef am Mittwoch in Hannover gefragt. „Wir bräuchten mehr Zeit, und wir bräuchten mehr Geld“, antwortete Weil lächelnd. Dass er sich selbst und seiner Ministerriege einen „dynamischen Start“ bescheinigte, überraschte da nicht weiter. Auch nicht, dass seine Stellvertreterin und Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) ins gleiche Horn stieß und voll des Eigenlobes von einer „Koalition des Machens“ sprach.
Beide beließen es allerdings nicht auf eine Rückschau, sondern gaben einen Ausblick auf ihr Arbeitsprogramm in den kommenden Monaten. Weil kündigte an, die beschlossene Krankenhausreform zügig in die Praxis umzusetzen: „Das ist eines von den absoluten Dickschiffen, die wir in diesem Jahr bewegen müssen.“ Das noch von der alten SPD/CDU-Koalition beschlossene Gesetz sieht acht Versorgungsregionen in Niedersachsen vor. Dort sollen jeweils die Kliniken als Grund-, Schwerpunkt- oder Maximalversorger eingestuft werden. Mancherorts führt dies zur Sorge, dass darunter die Behandlung von Patienten leiden könne. Es werde „keinen Kahlschlag“ geben, versprach der Ministerpräsident. Es gehe vielmehr um eine Verbesserung der medizinischen Qualität.
Kritik vom CDU-Fraktionschef
Auf der Agenda stehen laut Weil außerdem die Verabschiedung eines neuen Klimagesetzes und die Entlastung der Pflegeberufe von bürokratischen Pflichten wie der zeitaufwendigen Dokumentation von erbrachten Leistungen. Außerdem werde Niedersachsen einen Landeskrisenstab aufbauen, um bei Großschadensereignissen schnell und effizient reagieren zu können. Ministerin Hamburg kündigte für Mitte März ein Spitzentreffen mit den Bildungsverbänden an, um dem Fachkräftemangel in Kitas und Schulen zu begegnen. Die Ressortchefin bekräftigte, dass man bei den Haushaltsberatungen im Sommer den Einstieg in eine bessere Bezahlung für die Lehrkräfte an Grund-, Haupt- und Realschulen realisieren wolle.
CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner kritisierte dies als gebrochenes Wahlversprechen, da damit die A-13-Besoldung für alle Lehrer weiter auf sich warten lasse. Auch andere wichtige Vorhaben würden „vertrödelt und vertagt“, schimpfte die Opposition. So hätten die Unternehmen von den angekündigten Soforthilfen bis heute nichts gesehen. AfD-Fraktionschef Stefan Marzischewski bemängelte auch, dass Rot-Grün Bürger und Wirtschaft im Stich lasse. „Stattdessen werden links-grüne Ideologieprojekte wie Unisextoiletten umgesetzt.“
Die Unternehmerverbände Niedersachen (UVN) sehen das allerdings anders. Einen „ordentlichen Start“ bescheinigte UVN-Chef Volker Müller der neuen Regierung. Ein Sonderlob erhielt gar der grüne Umweltminister Christian Meyer für sein Tempo beim Ausbau der Windenergie. Da war die Grüne Jugend mit ihren eigenen Leuten erheblich kritischer: „Insbesondere in der Klima-, Verkehrs- und Wohnungspolitik gibt es deutliche Verbesserungsbedarfe.“