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Hells Angels und Bandidos Rocker kündigen Frieden an

Hannover. Es soll aussehen wie ein Staatsakt: 'Zwei Vertreter beider Seiten werden morgen in Hannover ein Abkommen unterschreiben. Danach werden wir vor den Medien eine Erklärung verlesen', sagt Hannovers mächtiger Rockerpräsident, Frank Hanebuth.
26.05.2010, 06:00 Uhr
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Von Stefan Schölermann

Hannover. Es soll aussehen wie ein Staatsakt: 'Zwei Vertreter beider Seiten werden morgen in Hannover ein Abkommen unterschreiben. Danach werden wir vor den Medien eine Erklärung verlesen', sagt Hannovers mächtiger Rockerpräsident, Frank Hanebuth. Nicht irgendeine Absteige in Hannovers Rotlichtmilieu haben sich die Rocker als Schauplatz für ihren 'Friedensschluss' ausgesucht, sondern eine Anwaltskanzlei in bester Lage.

Normalerweise ist Hanebuth den Medien gegenüber wortkarg. Doch jetzt antwortet er am Telefon beinahe im Plauderton: 'Okay, es hat gut zwei Monate gedauert. Aber jetzt haben wir eine Lösung gefunden.' Wie genau die 'Lösung' aussehen wird, will er noch nicht verraten, schließlich will man dem Friedensschluss nicht den Knalleffekt nehmen. Aber so viel ist sicher: 'Die andere Seite ist in allen Punkten einverstanden.' Die andere Seite, das sind die Bandidos, mit denen sich die Hells Angels seit mehr als einem Jahr einen blutigen 'Rockerkrieg' liefern.

Schon jetzt haben sich mehr als zwei Dutzend Reporterteams als Beobachter dieses 'Friedensschlusses' angemeldet. Diese medienwirksame Inszenierung ist gewollt. Denn das Abkommen mit den Bandidos soll auf die gesamte Rockerszene ausstrahlen, sagt Hanebuth: 'Je mehr Reporter dabei sind, desto mehr Rocker bekommen das mit und halten sich an die Absprachen.'

Der 'Rockerfrieden' - also nur eine Inszenierung für die Medien? Die Landeskriminalämter im Norden sind skeptisch. Entscheidend sei in erster Linie nicht, ob Rocker wechselseitig untereinander Straftaten begehen, entscheidend sei, ob die für Mitglieder dieses Milieus typischen Straftaten unterblieben, sagt der Sprecher des Landeskriminalamtes in Hannover, Falco Schleier. Bei den Landeskriminalämtern sind die besonders ausgebildeten und auch besonders geschützten Spezialabteilungen für 'Organisierte Kriminalität' zuständig für die Rockergruppen. Mitglieder dieser Gangs werden von diesen Spezialabteilungen mit szenetypischen Delikten wie Drogen-und Waffenhandel, Schutzgelderpressung und anderen Arten der 'Rotlichtkriminalität' in Verbindung gebracht.

Polizei vermutet Geschäftsinteressen als Hintergrund

Experten der Polizei vermuten deshalb hinter diesem zur Schau getragenen Friedenswillen der Rocker knallharte Geschäftsinteressen: 'Der monatelange Rockerkrieg hat diese Szene immer mehr ins Visier der Polizei gebracht. So kam mehr Licht ins Dunkel, und das war schlecht fürs Geschäft', sagt der Fachmann für Rockerfragen bei der Berliner Polizei, Thomas Neuendorf. Berlin war in den vergangenen zwölf Monaten neben Schleswig-Holstein Hauptschauplatz der blutigen Auseinandersetzungen zwischen Bandidos und Hells Angels. In Schleswig- Holstein zog man im April Konsequenzen und sprach ein Vereinsverbot gegen den Club der Bandidos in Neumünster und das Charter der Hells Angels in Flensburg aus. Zuvor hatte Schleswig-Holsteins Polizei eine Linie der 'Null-Toleranz' gegenüber der Rockerkriminalität gefahren. Seitdem ist es ruhiger geworden. Betont zurückhaltend reagiert man deshalb in Kiel auf den angekündigten 'Friedensschluss': 'Es ist uns völlig egal, wer mit wem Frieden schließt' ,sagt der Sprecher des Kieler Landeskriminalamtes, Uwe Keller. Man werde die konsequente Linie fortsetzen.

Der Termin für diesen 'Friedensschluss' kommt nicht von ungefähr: Ab Donnerstag wollen die Innenminister der Länder in Hamburg darüber beraten, ob sie Schleswig-Holstein auf seiner Linie folgen und ebenfalls Verbote aussprechen. Das setzte auch die Rocker bei ihren Gesprächen unter Zeitdruck. Erschwert wurden diese Verhandlungen durch die unübersichtlichen Führungsstrukturen bei den Bandidos: Mal schwang sich ein Bandidos-Präsident aus Duisburg, mal einer aus Berlin zum 'Verhandlungsführer' auf, während die Hells Angels stets mit einer Stimme sprachen, der von Frank Hanebuth aus Hannover. Was beweist, dass Kriminalbeamte mit ihrer Einschätzung über 'den Langen', wie Hanebuth genannt wird, richtig liegen: 'Ohne ihn läuft bei den Angels nichts', heißt es beim LKA Hannover. Es ist also kaum anzunehmen, dass beim 'Friedensschluss' die 'Friedenspfeife' geraucht wird - Frank Hanebuth ist Nichtraucher.

Der Autor Stefan Schölermann ist Redakteur bei NDRinfo.

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