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Spargelsaison in Corona-Zeiten Mehrbettzimmer für Erntehelfer

Die Sozialversicherung Landwirtschaft hält Mehrbettzimmer für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft für vertretbar. Der Bremer Virologe Andreas Dotzauer übt Kritik.
11.05.2021, 05:00 Uhr
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Mehrbettzimmer für Erntehelfer
Von Maurice Arndt

Mit den steigenden Temperaturen kommt auch die Erntesaison auf den Spargelfeldern in Gang. Das bedeutet auch: Ausländische Saisonarbeiter, die auf den Feldern helfen, müssen von den Höfen untergebracht werden. Dabei gibt es Regeln zu beachten, etwa bei der Einreise. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft (SVLFG) hält zudem Sammelunterkünfte mit vier Personen für vertretbar. Der Bremer Virologe Andreas Dotzauer sieht die Empfehlung kritisch.

In Bremen beschäftigt Hajo Kaemena vom gleichnamigen Spargel- und Erbeerhof in Oberneuland derzeit sieben polnische Erntehelfer, die alle krankenversichert sind. Die Zahl werde im Jahresverlauf auf 15 Kräfte anwachsen. Aufgrund des kalten Wetters sei die Erntesaison noch nicht in vollem Gange. 

Der Landwirt bringt seine Saisonkräfte in Einzelzimmern in Wohncontainern unter. Vor der Einreise müssen seine Arbeiter einen negativen PCR-Test vorweisen, anschließend begeben sie sich in eine zehntägige Arbeitsquarantäne. "Danach haben wir ein gutes Gefühl und fühlen uns sicher", sagt Kaemena. Die polnischen Arbeiter werden in Gruppen mit maximal vier Mitgliedern aufgeteilt. Kaemena: "Freizeit und Essenspausen sollen sie nur mit ihrer Gruppe verbringen." Küchen und Sanitärräume würden regelmäßig desinfiziert; eine Maskenpflicht gebe es nicht, da keine Arbeit innerhalb geschlossener Räume stattfinde. Der Aufwand für die Regelungen halte sich in Grenzen, zumal sie aus dem Vorjahr erprobt seien: "Finanziell sind die Corona-Regeln kein Problem. Lediglich die Organisation stellt einen Mehraufwand dar."

Von den niedersächsischen Landwirtschaftsbetrieben im Bremer Umland wollte sich auf Anfrage lediglich der Hof Mysegades im Landkreis Diepholz zur Umsetzung der Corona-Regeln äußern. Landwirt Henning Mysegades beschäftigt 28 Saisonkräfte aus Rumänien und Polen. Die Erntehelfer sind in Mehrbettzimmern untergebracht, "im Normalfall mit Personen aus der eigenen Familie", erklärt Mysegades. Bei Menschen aus mehr als zwei Haushalten würden die Zimmer maximal mit zwei Bewohnern belegt. Alle Arbeiter seien bei der Einreise negativ getestet worden und hätten sich für zehn (Rumänien) oder 14 (Polen) Tage in Arbeitsquarantäne begeben. Die Tests würden wöchentlich wiederholt. Um die Saisonkräfte zu den Feldern zu bringen, seien zwei zusätzliche Fahrzeuge angeschafft worden, um Abstände einzuhalten.

Konkret empfiehlt die Sozialversicherung Saisonkräfte gemeinsam unterzubringen, wenn Einzelzimmer nicht bereitgestellt werden können. Der Vorschlag taucht auch in einem Schreiben des niedersächsischen Gesundheitsministeriums auf und wurde von der niedersächsischen Landwirtschaftskammer übernommen. Grundlage dafür sind die sogenannten Technischen Regeln für Arbeitsstätten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Die sehen ein Zimmer für acht Personen vor, wobei pro Bewohner 6,75 Quadratmeter vorgehalten werden müssen. "Allerdings ist die Arbeitsgruppengröße in der Regel auf vier Personen beschränkt und daher kann eine Belegung mit acht Personen nur der Ausnahmefall sein", sagt SVLFG-Sprecher Marc Wiens. Stammen die Bewohner aus mehr als einem Arbeitsteam, sollen auf der gleichen Fläche halb so viele Menschen untergebracht werden.

Die Belegungszahlen seien von Experten erarbeitet worden. Ausschlaggebend für den Vorschlag seien weitere Empfehlungen gewesen: die Einhaltung der gängigen Abstands- und Hygieneregeln, wenig Kontakt zwischen Arbeitsgruppen, negativer Test bei Einreise, zwei Testangebote pro Woche und eine 14-tägige Arbeitsquarantäne nach der Ankunft, bei der die Unterkunft nur zum Arbeiten verlassen wird.

In Bremen gibt es keine Empfehlungen für die Unterbringung von Saisonarbeitskräften. "Die Fragen stellen sich nicht, da wir kaum Landwirtschaft haben", sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher des Gesundheitsressorts. In Niedersachsen verweist das Landwirtschaftsministerium auf die Corona-Verordnung. Dort werden landwirtschaftliche Betriebe angehalten, sich an die Hygieneregeln zu halten und ausländischen Arbeiter möglichst in Einzelzimmern unterzubringen.

Der Bremer Virologe Andreas Dotzauer hält die Regeln für teilweise nicht mehr zeitgemäß. Aufgrund des höheren Infektionsgeschehens gegenüber dem Frühjahr 2020 sowie der neuen Corona-Varianten seien strengere Regelungen ratsam. Er empfiehlt, wie die Sozialversicherung, den Nachweis eines negativen PCR-Tests bei der Einreise. Nach der Ankunft sollten sich Saisonkräfte in eine strikte 14-Tage-Quarantäne begeben. Anschließend sollte eine Arbeitsquarantäne herrschen. "Die Arbeiter sollten nicht einmal in den Supermarkt gehen", sagt der Virologe. Innerhalb dieser Quarantäne-Blase könnte auf Maßnahmen wie Masken oder Einzelunterbringung verzichtet werden. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft hält es aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken nicht für möglich, diese Strenge in einer Arbeitsschutzregel festzuhalten.

Zur Sache

Saison mit heimischen Kräften schwer vorstellbar

Ohne Erntehelfer aus dem Ausland sei die Erntesaison bei Spargel und Erdbeeren nicht vorstellbar. Das meint der Bremer Landwirt Hajo Kaemena: "Im vergangenen Jahr haben wir das notgedrungen kurz probiert. Es gibt aber zu wenige heimische Kräfte für diese Arbeit." Entweder sage ihnen die Arbeit nicht zu oder sie seien nicht qualifiziert genug. Auf Bremer und ausländische Erntehelfer in Kombination zu setzen, sei zwar möglich, aber aufwendiger. Die Gruppen müssten voneinander getrennt arbeiten, um sich nicht gegenseitig anzustecken. Landwirt Henning Mysegades pflichtet ihm bei und ergänzt: "Die schwere körperliche Arbeit halten die meisten hiesigen Kräfte nicht lange aus."

Ähnlich sieht das die Sozialversicherung für Landwirtschaft (SVLFG). Eine Verzichtsempfehlung für ausländische Arbeitskräfte sei wegen der fehlenden Bereitschaft deutscher Arbeitskräfte verworfen worden.

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