Trüffelfreunde kämpfen in Niedersachsen um das Recht, die kostbare Knolle aufzuspüren und ihre Sporen zu verbreiten. Die Bundesartenschutzverordnung schließt das aus, denn die Edelknolle ist eine bedrohte Art.
Simone Schmidt will es wissen: Die Hobbypilzforscherin möchte Trüffel suchen, sie kartieren und auch entnehmen. Die Bundesartenschutzverordnung schließt das aus – die Edelknolle der Gattung Tuber steht als bedrohte Art auf der Roten Liste. Simone Schmidt hat sich auf das Naturschutzgesetz berufen, das die einzig mögliche Ausnahme eröffnet: Es gestattet Genehmigungen zu Forschungszwecken.
Dafür hat sie vor dem Verwaltungsgericht Hannover gekämpft. Schmidt und die Region Hannover haben sich geeinigt. Die 46-Jährige darf auf zwei von drei angestrebten Suchgebieten auf die Pilzpirsch gehen. Unter strengen Auflagen – welche das sind, weiß sie bis heute nicht. „Die sind noch nicht formuliert“, räumt Regionssprecher Klaus Abelmann ein. Die unterirdisch wachsenden Pilze sind ein Thema mit Tiefgang.
„In Deutschland ist immerhin die Trüffelleberwurst erfunden worden“, sagt die Hannoveranerin Simone Schmidt. Nach ihrer Überzeugung müsste der Pilz von der Roten Liste genommen werden: „Es gibt keine Suchstelle ohne Funde, Trüffel sind massenhaft da – nur eben im Verborgenen. Deutschland war sogar mal eines der führenden Trüffel-Exportländer.“

Hobby-Trüffelsucherin Simone Schmidt aus Hannover.
?24 Trüffelarten im Raum Osnabrück
Das Wissen um die Hypogäen, die unterirdisch wachsenden Pflanzen, sei hierzulande in den vergangenen 100 Jahren schlicht in Vergessenheit geraten. „Niemand hat mehr systematisch mit Hund oder Schwein nach Trüffeln gesucht, und weil man die unterirdischen Pilze nicht sah, dachte man: Es gibt sie nicht mehr, also müssen sie unter Schutz gestellt werden.“
Auch Thomas Wittich, ein Trüffelkenner aus dem Teutoburger Wald, sieht das so: „Dass die Gattung Tuber so gut wie ausgestorben ist, ist eine Falschaussage. Andere Trüffelarten, die nicht geschützt wurden, sind gefährdeter. Unsere Aufgabe ist es, diese Geschichte zu überprüfen. Es gibt mehr Trüffel als Steinpilze.“
Wittich hat eine Ausnahmegenehmigung des Landkreises Osnabrück in der Tasche, wenn er mit seiner Hündin Jule auf Trüffelsuche geht. „Das Ganze ist im Umbruch”, sagt er. „Die haben sich das genau angeguckt. Inzwischen ist die Genehmigung mit Auflagen von der Naturschutzbehörde verlängert worden. In Niedersachsen sind an mehr als 4000 Fundstellen Sommertrüffel nachgewiesen. Ich habe im Raum Osnabrück 24 Trüffelarten gefunden.“
Suche nur mit Genehmigung
„In freier Natur trägt das Ausgraben und Absammeln der Trüffel durch Wildschweine zur Verbreitung bei“, sagt Wolfgang Prüfert. Der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Mykologie räumt ein, „dass man die Einstufung in der Bundesartenschutzregelung überprüfen müsste“. Steinpilze dürften ja auch zum Eigenverbrauch gesammelt werden. „Trüffel sind bei Weitem nicht so selten wie gedacht.“ Durch die Fruchtabnahme würden Trüffel nicht beeinträchtigt, sagt Prüfert. „Bei oberirdisch wachsenden Pilzen ist das nachweislich so.“ Viel mehr stelle sich die Frage: „Welche Schäden richten Leute am Wald an, wenn sie mit Hund und Spaten losziehen?“
Die Trüffelfreunde kennen sich. Allein in Niedersachsen habe die „Forschungs- und Arbeitsgruppe Hypogäen“ mehr als 30 Aktive, schätzt Simone Schmidt. Auch sie und Thomas Wittich zählen dazu. Für sie und alle anderen gilt: Ohne detaillierte Ausnahmegenehmigung wird nichts aus der Freizeitbeschäftigung, Trüffel zu suchen, sie zu kartieren und mikroskopisch zu untersuchen.
Im Jahr 2014 hat der niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz als obere Naturschutzbehörde „Empfehlungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung“ zur wissenschaftlichen Trüffelsuche erstellt, die den Landkreisen und kreisfreien Städten „auf Nachfrage“ zur Verfügung gestellt wird, wie ein Sprecher mitteilt. „Leitlinie ist demnach die Rücksichtnahme auf die Natur.“ Suchhunde sollen an der Leine geführt, die Suche auf klar umgrenzte Flächen beschränkt sein, die Brut- und Setzzeit muss beachtet werden. Zur Untersuchung der Trüffel soll nicht die ganze Knolle entnommen werden – „ein kleiner Teil reicht aus“.
Plantage im Landkreis Hildesheim
„Ich darf nicht mal kleine Trüffel-Kügelchen aufnehmen, wenn sie freigescharrt da liegen“, sagt Simone Schmidt. Solange sie nicht weiß, welche Auflagen die Region Hannover vorsieht, fällt die „Schatzsuche“, wie sie es nennt, aus. „Das Faszinierende daran ist, dass man sie nicht so einfach findet. Man braucht einen Partner dazu, einen Hund.“ Seit vier Jahren geht sie mit Loki, ihrer Lagotto-Romagnolo-Hündin, auf Trüffelsuche. Auf die Pilze ist sie genau genommen durch den italienischen Wasserhund und seine ausgeprägten Fähigkeiten gekommen. „Trüffel esse ich gar nicht so gerne“, sagt sie.
Wer Trüffel als Delikatesse schätzt, kann auf importierte Ware aus mediterranen Regionen zurückgreifen oder warten, bis auch niedersächsische Plantagen unterirdische Früchte tragen, die geerntet, verkauft und verzehrt werden dürfen. Fabian Sievers (44) galt 2012 als Erster in Niedersachsen, als er im Landkreis Hildesheim eine Trüffelplantage anlegte. „Fünf bis acht Jahre muss man rechnen, bis die ersten Fruchtkörper geerntet werden können – bei guter Kultur- und Standortpflege“, sagt er.
?Trüffelanbauseminare mit Beratung
Auch Sievers hat sich vor Jahren mit der Region Hannover über eine Ausnahmegenehmigung gestritten, aber klein bei gegeben. Seine Chance war gleich null: „Ich habe ganz klar kommerzielle Interessen. Ich baue die Burgundertrüffel an, das ist mein Job.“ Bis er die Früchte erntet, besteht seine „Hauptbeschäftigung“ darin, sogenannte Trüffelbäume zu verkaufen. Zur Trüffelverbreitung werden geeignete Bäume wie Eiche, Buche, Birke oder auch Haselbüsche mit Sporen in Verbindung gebracht.
Auch wenn es für sie nur ein Hobby ist, verfolgen Simone Schmidt und Thomas Wittich das Ziel, die Trüffel zu verbreiten. Beide haben sich und ihre Hunde schulen lassen und bieten inzwischen selbst Kurse an. Fabian Sievers gibt Trüffelanbauseminare samt Gruppen- und Einzelberatung. Trüffel seien Kult, weil sie schwer zu bekommen und teuer seien. „Und manche finden‘s eklig“ – ein bisschen ist es wie mit Kaviar oder Austern.
„Die Zahl der Mykologen, die sich mit Trüffeln beschäftigen, ohne sie essen zu wollen, schätze ich auf zwei händevoll in Deutschland“, sagt Sievers. Immerhin hat die Landwirtschaftskammer Trüffelplantagen bereits als landwirtschaftliche Betriebe eingeordnet. „Man hört immer wieder etwas davon,“ sagt Peter Wachter, Chef der Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft, die regelmäßig „kulinarische Botschafter“ des Landes kürt. „Beworben hat sich aber noch keiner.“