Für den Abschiedsbesuch dieser Kollegin hat der französische Präsident Emmanuel Macron keinen banalen Ort ausgewählt. Zelebriert wird das Adieu von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht in seinem Amts- und Wohnsitz in Paris. Macron hat Merkel und ihren Ehemann Joachim Sauer in die Burgunder-Stadt Beaune eingeladen. Mit den idyllischen Straßen aus Kopfsteinpflaster, den Fachwerkhäusern und dem einstigen Krankenhaus Hôtel-Dieu, in dem jedes Jahr eine prestigeträchtige Weinauktion abgehalten wird, dient Beaune als ideale Kulisse für eine feierliche Zeremonie.
Am Mittwoch empfingen Macron und seine Ehefrau Brigitte die Kanzlerin und ihren Mann im Schloss Clos de Vougeot, einem im zwölften Jahrhundert erbauten Kloster. Macron überreichte Merkel den Verdienstorden der Ehrenlegion, Frankreichs höchste Auszeichnung.
Es dürfte einer der glamourösesten Termine auf der derzeitigen Abschiedstour der aus dem Amt scheidenden Kanzlerin sein. Und das ist von Macron gewollt, der damit die Bedeutung unterstreicht, die für ihn die deutsch-französischen Beziehungen stets hatten – und das gute persönliche Verhältnis zur deutschen Kanzlerin. Die Persönlichkeiten des bisweilen ungestüm wirkenden Franzosen und der besonnen auftretenden und erfahrenen Deutschen mögen äußerst verschieden sein; beide ließen stets den Willen erkennen, Unterschiede auch in der Sache zu überbrücken und nach außen Geschlossenheit zu demonstrieren.
Anders als seine Vorgänger Nicolas Sarkozy, der sich zunächst stärker gen Mittelmeerraum orientierte, und François Hollande, der nach Amtsantritt demonstrativ die Nähe der damaligen SPD-Troika suchte, setzte Macron kontinuierlich auf die Achse Paris-Berlin. In die deutsche Hauptstadt führte auch sein erster Auslandsbesuch. Noch im selben Jahr wartete er die deutsche Bundestagswahl ab, bevor er am Folgetag in Paris seine Grundsatz-Rede zu Europa mit weitreichenden Reformvorschlägen hielt. Begeisterung oder eine konkrete Antwort von Merkel blieben aus, was in Paris mit Enttäuschung als Zeichen einer gewissen Behäbigkeit und mangelnder Ambition gedeutet wurde. Als großer Triumph Macrons gilt, dass die Kanzlerin in einen schuldenfinanzierten europäischen Aufbaufonds als Weg aus der Pandemie-Krise einwilligte.
Mit ihrem Verhältnis zu Deutschland und zu Merkel haben sich die vier französischen Präsidenten, mit denen sie zusammenarbeitete, stets politisch positioniert. Macron wählte die Nähe zu Merkel, die nach 16 Jahren Amtszeit in seinem Land hohes Ansehen genießt. Eine große Mehrheit hat laut aktuellen Umfragen ein positives Bild von „Mutti“, wie französische Medien sie nennen. Macron dürfte hoffen, dass ein wenig Glanz der so unprätentiös auftretenden Deutschen auf ihn abstrahlt. Denn während sie abtritt, beginnt für ihn der Wahlkampf.