Es geht um 270 Milliarden Euro. So viel Geld stehen im Haushalt der EU in den Jahren 2023 bis 2027 für die Landwirtschaft bereit. Es sind Subventionen, die letztlich dafür sorgen sollen, dass unsere Lebensmittel nachhaltig, gesund und ökologisch produziert werden. Nach fast dreijährigem Streit haben sich die Unterhändler des Europäischen Parlamentes, der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten am Freitag auf eine Reform geeinigt. Der Streit geht dennoch weiter. Während der Vorsitzende des Agrarausschusses im EU-Parlament, Norbert Lins (CDU), von einer „neuen, ambitionierten und fairen Agrarreform“ sprach, bezeichnete Martin Häusling, Landwirtschaftsexperte der Grünen-Parlamentsfraktion, den Durchbruch als „miesen Deal“ und sagte: „Die Agrarwende bleibt aus.“
Herausgekommen ist ein typisch europäischer Kompromiss: Von den sogenannten Direktzahlungen an die Bauern sind künftig 25 Prozent an Öko-Auflagen geknüpft. Welche das sein sollen, steht im Detail noch nicht fest. Erste Berechnungen zeigen, dass damit in den Jahren ab 2023 48 Milliarden Euro für Umweltmaßnahmen zur Verfügung stehen, ursprünglich waren nur 24 Milliarden eingeplant. Das ist, je nach Sichtweise, ein Erfolg oder ein Misserfolg: Die Agrarminister hatten sich zunächst auf 20 Prozent geeinigt, die Abgeordneten forderten 30 Prozent. Wirklich neu ist, dass zehn Prozent der Zahlungen, die bislang an große Agrarkonzerne gingen, nunmehr an Klein- und Familienbetriebe umgeleitet werden. Die können somit auf mehr Unterstützung aus den Brüsseler Fördertöpfen hoffen. Auch bleiben die Flächenprämien erhalten, die nur an wenige Bedingungen geknüpft sind. Allerdings müssen diese Zuwendungen, bei denen es große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gibt, bis 2026 harmonisiert werden.
Hintertürchen und Sonderregeln
Ob diese Maßnahmen, bei denen es viele nationale Hintertürchen und Sonderregelungen gibt, am Ende wirklich dem Anspruch genügen, die Landwirtschaft in den Green Deal einzubeziehen, muss sich erst noch zeigen. Vor allem vor dem Hintergrund einer fast schon vernichtenden Analyse, die der Europäische Rechnungshof vor wenigen Tagen veröffentlichte. Der hatte nämlich die Verwendung der Subventionen in der Zeit zwischen 2014 und 2020 untersucht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass der CO2-Ausstoß im Agrarsektor seit 2010 nicht mehr gesunken ist – obwohl die EU rund 100 Milliarden Euro für Klimaschutz in den Landwirtschaftsbereich investiert hatte.
Der Beitrag der Bauern zum Green Deal besteht aber nicht nur in der Reduzierung der Emissionen. Sie sollen auch die Artenvielfalt sichern, indem Schädlingsbekämpfungsmittel weniger oder gar nicht mehr benutzt und Monokulturen vermieden werden. Ob das mit dieser Agrarreform möglich ist, bezweifeln die Kritiker: „Arten verschwinden weiter von den Äckern und Feldern, und Pestizide, Antibiotika und synthetische Düngemittel belasten die Gewässer“, kommentierte der Grünen-Vertreter Häusling den Kompromiss und fügte hinzu: „Die Einigung ist ein grün verpacktes Geschenk an die Agrarindustrie.“ Seine Partei werde bei der Abschlussabstimmung im EU-Parlament nicht zustimmen. Auch die agrarpolitische Sprecherin der SPD, Maria Noichl, meinte: „Die europäische Agrarpolitik kann mehr.“ Sie lobte allerdings, dass in dem jetzt vereinbarten Paket eine wichtige Sozialregelung enthalten ist: Demnach können die Brüsseler Zahlungen gekürzt werden, wenn Arbeitnehmer (zum Beispiel Erntehelfer) auf den Höfen ausgebeutet werden.
Auswirkungen auf die in vielen Bereichen deutlich zu niedrigen Erzeugerpreise erwarten Experten übrigens nicht. Was der Kompromiss wert ist, wird sich bereits am Montag zeigen. Dann kommen die Agrarminister der Mitgliedstaaten zusammen. Sie müssen dem Paket noch zustimmen.