Im beginnenden französischen Präsidentschaftswahlkampf gibt es etliche Bewerber, die darum ringen, zum Gesprächsthema zu werden – die sozialistische Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo gehört zu ihnen oder auch der rechtskonservative Ex-EU-Kommissar Michel Barnier. Ein Mann aber bestimmt bereits die Debatten, noch bevor er offiziell überhaupt seine Kandidatur erklärt hat: der Fernsehjournalist und Autor Éric Zemmour.
Polemiken sind das große Talent des 63-Jährigen, der die Rechtsnationalistin Marine Le Pen rechts überholt. Der Einwanderung, die er als Frankreichs politisches Hauptproblem ansieht, ordnet er alle anderen Themen unter. Er sucht Sündenböcke, die er aus der Gesellschaft ausschließen kann. Das kommt bedauerlicherweise bei manchen Menschen an.
Sollte Zemmour tatsächlich kandidieren, könnte er neuen Umfragen zufolge mit bis zu 17 Prozent der Stimmen rechnen. Manche Erhebungen sehen ihn sogar in der Stichwahl und vor Le Pen. Ohne Zemmour würde sie demnach bis zu neun Prozentpunkte mehr erreichen. Auch den Republikanern, deren Kandidat noch nicht feststeht, droht er Stimmen wegzunehmen.
Doch will der Mann, den manche als „französischen Donald Trump“ bezeichnen, wirklich antreten – oder geht es ihm nur um Werbung für sein neues Buch „Frankreich hat noch nicht sein letztes Wort gesprochen“? Dass die Medien ausgiebig über seine Absichten rätseln und er derart im Mittelpunkt der Debatten steht, amüsiert ihn sichtlich. „Ich beobachte, ich analysiere, ich werde meine Entscheidung zu dem für mich idealen Zeitpunkt treffen“, stellte er in einem Interview mit dem Nachrichtensender CNews klar.
Bis vor Kurzem moderierte Zemmour selbst eine Talkshow bei CNews – hier konnte der Sohn jüdischer Algerien-Franzosen („Pieds-noirs“), die nach dem Algerienkrieg nach Frankreich kamen, seine reaktionären, rassistischen und frauenfeindlichen Thesen verbreiten. Doch der Sender beendete die Zusammenarbeit. Denn es erscheint immer offenkundiger, dass Zemmour eine Kandidatur vorbereitet. Er hat sich ein Beraterteam zusammengestellt, sammelt Spenden und ließ Plakate mit der Aufschrift „Zemmour Präsident“ drucken.
Derzeit tourt er durch das Land – offiziell um sein Buch vorzustellen. Die Auftritte wirken wie Wahlkampfveranstaltungen, bei denen seine Fans die Nationalhymne „Marseillaise“ anstimmen. Viele bewundern sein umfassendes Wissen über Frankreichs ruhmreiche Geschichte, auch wenn Historiker auf häufige Verdrehungen hinweisen. Denn Zemmour legt sich die Geschichte zurecht, wie sie ihm passt.
Seine Anhänger stört es auch nicht, dass ihr Held bereits wegen Aufstachelung zum Rassenhass verurteilt wurde, unter anderem für die Behauptung, dass Arbeitgeber das Recht hätten, Araber oder Schwarze abzulehnen. Über afrikanische Einwanderer behauptete Zemmour pauschal, sie vergewaltigten und töteten Frauen.
Solche Aussagen kämen Marine Le Pen nicht über die Lippen. Die 53-Jährige bemüht sich seit Jahren um eine „Entteufelung“ ihrer Partei. So sagte sie, der Islam sei vereinbar mit der französischen Republik. Manchen ist sie längst zu weich – auch ihrem Vater, Parteigründer Jean-Marie Le Pen. „Marine hat ihre starken Positionen aufgegeben, und Eric besetzt den Platz, den sie verlassen hat“, erklärte der 93-Jährige. Sollte Zemmour bessere Gewinnchancen haben, werde er diesen unterstützen. Le Pen bleibt nur, vor der „Zerspaltung des nationalen Lagers“ zu warnen.
Die Erfolgschancen von Zemmour relativiert Frédéric Dabi vom Meinungsforschungsinstitut Ifop allerdings: „Die Präsidentschaftswahl ist ein Langstreckenlauf gekreuzt mit einem finalen Sprint. Wenn er jeden Tag radikale Positionen äußert, kann das seine Glaubwürdigkeit beschädigen.“
Anders als Donald Trump hat Zemmour keine etablierte Partei hinter sich – und im Gegensatz zu Präsident Emmanuel Macron auch keine gegründet. Er nährt aber die Debatten mit provokanten Thesen. Aber viellecht merken die Franzosen ja, dass dies nicht ausreicht, um ein Land zu regieren.