Man kann sich über den ungehörigen Brief von Donald Trump aufregen, der abermals die Verachtung des US-Präsidenten gegenüber den Europäern offenbarte. Doch es bringt nichts. Und das letzte Wort scheint auch noch nicht gesprochen, die Verhandlungen laufen weiter.
Für Europa steht viel auf dem Spiel. Abgesehen von dem drohenden Fiasko für die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen. Falls ein Deal wirklich scheitert und Trump seine Maximalziele durchsetzt, könnten in der europäischen und vor allem deutschen Industrie nach EU-Prognosen Zehntausende von Arbeitsplätzen wegfallen. Damit es nicht zum wirtschaftlichen Desaster kommt, braucht es deshalb fortan eine angepasste Strategie der EU.
Die bisherige Taktik des technokratischen Brüsseler Apparats folgte dem Handelslehrbuch. Die regeltreue Herangehensweise funktioniert aber nicht mit einer unberechenbaren US-Regierung. Stattdessen braucht es unkonventionelle Ideen, Mut und vor allem Einigkeit. Am wichtigsten ist, dass die EU-Institutionen geschlossen agieren.
Statt über die richtige Taktik im Umgang mit den Amerikanern zu streiten, sollten sich die Mitgliedstaaten hinter die für Handelsfragen zuständige Kommission stellen. Nur wenn die Gemeinschaft mit einer Stimme spricht, wird sie am Verhandlungstisch ernst genommen. Zudem sollte sie die Handelsbeziehungen mit Staaten in Südostasien und Südamerika zügig ausbauen. Dass die Brüsseler Behörde bislang alles dafür tat, den Konflikt nicht zu eskalieren, war zumindest ein verständlicher Ansatz. Doch nun muss sie ebenfalls – besonnen und verhältnismäßig – die Muskeln spielen lassen und bereit sein, mit Vergeltungszöllen zurückzuschlagen.
In der beschränkten Trump-Welt gewinnt der Stärkere. Und die EU hat einen der größten Märkte der Welt, den selbst der US-Präsident kaum ignorieren kann. Ist die Gemeinschaft jedoch zu einer gewissen Eskalation bereit? Angesichts der unnachgiebigen und feindseligen Haltung vonseiten Trumps hat sie kaum noch Alternativen, als den USA glaubwürdig damit zu drohen, ihnen jene Schmerzen zuzufügen, die Trump Europa zumuten will.
Was nicht passieren darf, ist, dass sich die Europäer zu ewigen Bittstellern degradieren lassen und etwa eine Aufweichung ihrer Digital-Gesetze oder Lebensmittelsicherheitsstandards zur Verhandlungsmasse machen. Dass diese Gefahr dennoch droht, liegt daran, dass die USA am längeren Hebel sitzen, wenn sie die Handels- mit der Sicherheitspolitik verknüpfen. Europa ist in Verteidigungsfragen weiterhin existenziell abhängig von Washington, nicht nur was den nuklearen US-amerikanischen Schutzschild betrifft, sondern auch die Nato-Beistandsgarantie und die militärische Kooperation.
Am Ende zeigt die zurückhaltende Strategie der EU-Kommission deshalb vor allem eines: Die EU befindet sich in einer äußersten schwachen Position. Niemand weiß das besser als Donald Trump.