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Verbraucherschutz beim Onlineshopping EU-Kommission will Verkäufer stärker in die Pflicht nehmen

Die EU-Kommission will den Verbraucherschutz im Internet stärken und legt einen Vorschlag für eine umfassende Reform vor. Doch manchen EU-Parlamentariern geht das noch nicht weit genug.
30.06.2021, 15:48 Uhr
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EU-Kommission will Verkäufer stärker in die Pflicht nehmen
Von Detlef Drewes

Ein Baby-Schlafanzug, der zu viel Nickel freisetzt, Atemmasken für Erwachsene und Kinder, die gegen das Coronavirus unbrauchbar sind – die Datenbank der Verbraucherschutz-Abteilung in der EU-Kommission ist voll von solchen Beispielen, vor deren Kauf Brüssel die Kunden warnt. Die genannten stammen aus den vergangenen Wochen. In vielen Fällen sei der Kunde hilflos, hieß es am Mittwoch in Brüssel, weil er die Ware nicht vorher prüfen, in die Hand nehmen oder begutachten könne. Denn die Produkte wurden online erworben. „Wir legen noch strengere Vorschriften für die Verbrauchersicherheit fest“, versprach die zuständige Vizepräsidentin der EU-Behörde, Vera Jourova, am Dienstag in Brüssel. Denn die Anbieter und Betreiber von Marktplätzen im Internet sollen künftig zur Mitverantwortung verpflichtet werden.

Größtes Problem: Wenn die Kontrolleure in den Mitgliedstaaten den Rückruf eines Artikels veranlassen, kommt der beim Kunden nicht an, weil die Verkäufer solche Aufrufe nicht weiterleiten. Künftig sind sie dazu verpflichtet. Außerdem sollen sie den Verkauf von Waren, die mit irreführenden oder fehlerhaften Angaben zu Herkunft und Inhalt beworben werden, von sich aus einstellen. Auch gefälschte Gütesiegel müssen nach Inkrafttreten der Verordnung zum Stopp eines Angebots führen.

Grüne und SPD für mehr Produkt- und Datensicherheit

Allerdings beabsichtigt die Brüsseler Kommission, den Verkäufern dafür eine Frist von fünf Tagen einzuräumen – nach Ansicht von Abgeordneten viel zu lange. „Wenn eine Plattform verspricht, ein Produkt innerhalb von 24 Stunden zu liefern, sollte sie genauso schnell auch eine gefährliche Ware von ihrer Seite nehmen können“, sagte Anna Cavazzini, Grünen-Europaparlamentarierin und Vorsitzende des Verbraucherschutzausschusses im Abgeordnetenhaus, am Mittwoch. Die Sprecherin der Europa-SPD, Evelyne Gebhardt, forderte, in die Prüfung und Überwachung auch neuer vernetzte Geräte, die auf künstlicher Intelligenz basieren, einzubeziehen: „Wenn wir zu Hause mit Alexa und Co. den Toaster steuern, dürfen durch Hacker keine privaten Daten abrufbar im Internet landen.“

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Besonders weitgehend sind die geplanten neuen Auflagen für Kreditverträge. Künftig sollen alle geltenden Transparenz- und Schutzregeln auch für Kleinkredite unter 200  Euro gelten. Damit werden Dispokredite und Leasingverträge den neuen Regeln unterworfen. Dazu zählt: Kreditnehmer müssen schneller von ihrem Geldinstitut vor zu hohen Belastungen gewarnt werden, wenn eine Rückzahlung absehbar schwierig wird.

Seit der letzten Reform des Regelwerks vor 13 Jahren seien die Möglichkeiten, mit mobilen Endgeräten mit nur wenigen Klicks einen Kredit zu beantragen, so rasant gestiegen, hieß es in Brüssel, dass das Risiko einer Überschuldung immer akuter werde. Hier will die EU-Behörde bessere Information erreichen. Zugleich sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, Obergrenzen für Zinsen und die Gesamtkosten eines Kredites festzulegen, um zu verhindern, dass die Verbraucher in eine Schuldenfalle stolpern.

CSU-Abgeordneter sieht Nachholbedarf bei Online-Kreditbranche

„In der Anlageberatung gibt es für Banken und Finanzberater extrem strikte Vorschriften, während es viele Onlineanbieter mit den Verbraucherschutzvorschriften nicht so genau nehmen“, sagte der EU-Abgeordnete und Finanzpolitiker Markus Ferber (CSU). Tatsächlich ist der Regelungsbedarf groß. Nach Angaben des Verbraucherzentrale Bundesverbands wurden 2020 allein in Deutschland 6,7 Millionen neue Ratenverträge abgeschlossen. Die Summe der Konsumentenkredite belief sich demnach auf 235 Milliarden Euro.

Während die neuen Auflagen für Produkte von der Kommission als Verordnung und damit schnell erlassen werden könnten, benötigt eine Anpassung der Verbraucher-Kreditrichtlinie die Zustimmung der Mitgliedstaaten. Es wird also noch dauern, bis deren Bestimmungen in die nationalen Gesetze übernommen werden.

Zur Sache

Brüssel will Käfighaltung verbieten

Die EU-Kommission will bis 2023 einen Gesetzesvorschlag zur Abschaffung der Käfighaltung vorlegen, nachdem eine europäische Bürgerinitiative genug Unterschriften dafür gesammelt hat. Konkret geht es um Legehennen, Sauen, Kälber, Kaninchen, Junghennen, Masthähnchen, Legetiere, Wachteln, Enten und Gänse. „Tiere sind fühlende Geschöpfe“, betonte Stella Kyriakides, Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Es werde geprüft, ob es realistisch sei, dass die Vorschriften bis zum Jahr 2027 in Kraft treten könnten. Damit könnte das Begehren der Bürger 15 Jahre nach Start der Initiative Realität werden. In Deutschland leben nach Angaben der Bürgerinitiative noch weit mehr als 8,2 Millionen Tiere in Käfigen. Dies entspreche einem Anteil von 86 Prozent der in Käfigen gehaltenen Nutztiere.

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