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Von der Leyen Es ist nicht nichts passiert

Die Ablehnung des Misstrauensantrags gegen von der Leyen ist ein Sieg, doch die Debatte hat tiefe Risse in der politischen Mitte Europas offenbart, meint Katrin Pribyl.
10.07.2025, 21:16 Uhr
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Es ist nicht nichts passiert
Von Katrin Pribyl

Der Applaus fällt verhalten aus, als auf den Anzeigen im Plenarsaal des Straßburger EU-Parlaments das Ergebnis der Abstimmung aufleuchtet. Neben dem grünen Plus steht 175, neben dem roten Minus aber die viel entscheidendere Zahl: 360. So viele Europaabgeordnete lehnten den Misstrauensantrag gegen die EU-Kommission ab, 18 enthielten sich. Ein deutliches Ergebnis bei einem Votum, das das Zeug hatte, die Gemeinschaft in eine tiefe Krise zu stürzen.

Ursula von der Leyen hat das Misstrauensvotum überstanden. Damit tat die Mehrheit des EU-Parlaments am Donnerstag das einzig Richtige: Sie lehnte den Antrag der Rechtsextremen ab, die hier ein rein politisches Theater aufführten, um die Sache ging es den Populisten jedenfalls nicht. Einerseits.

Andererseits ist in Straßburg nicht etwa nichts passiert. In dieser Woche offenbarte sich das Zerwürfnis in der politischen Mitte Europas. Dabei hätte die Debatte eine Chance bieten können, über die eigentlichen Probleme in der Gemeinschaft zu reden. Denn die Kommissionschefin schadet tatsächlich der Glaubwürdigkeit der EU, indem sie sich bis heute weigert, die privaten SMS zwischen ihr und dem Pfizer-Boss während der Corona-Pandemie offenzulegen.

Die Gründe sind unverständlich. Angesichts der damaligen dramatischen Situation hätten die meisten Menschen vermutlich Verständnis dafür, falls Ursula von der Leyen einen unkonventionellen und mutmaßlich teuren Weg wählte, um einen Impfstoff-Deal einzufädeln. Mit ihrer Geheimniskrämerei aber liefert sie den extremen Europafeinden Futter für deren Tiraden und Verschwörungsmythen gegen Brüssel.

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Pfizergate ist ein Beispiel für die ständige Diskrepanz zwischen von der Leyens präsidialem Politikstil, hinter verschlossenen Türen und mit wenigen Vertrauten zentralistisch von oben nach unten zu regieren, und ihren Worten. In Sonntagsreden predigt sie gerne mit großem Pathos Transparenz, aber zieht sich in ihren Elfenbeinturm zurück, wenn kritische Fragen aufkommen.

So kann der politische Kampf gegen Rechtspopulismus nicht gelingen. Transparenz bildet die Grundlage jeder funktionierenden Demokratie, sie ist weder ein Luxus noch ein notwendiges Übel, das die Politiker über sich ergehen lassen müssen. Europas Bürger haben vielmehr ein Recht darauf.

Diesen Punkt hätte das Parlament ins Zentrum der Debatte rücken müssen. Doch statt eines konstruktiven Austauschs offenbarte sich ein tiefer Riss in der politischen Mitte. Die seit den Europawahlen geschwächten Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen nutzten die Abstimmung, um ihren Frust über von der Leyens Kurs auszudrücken. Sie werfen ihr vor, sich dem angeblichen Rechtsruck unter dem Chef der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, anzudienen, sich gar zur Wegbereiterin einer gefährlichen Verschiebung nach rechts zu machen.

Damit tappten die Abgeordneten in die Falle der Rechtsextremen, die sich über den Streit im Hohen Haus Europas freuen dürften. Und so handelte es sich bei dem Votum um mehr als eine Personalfrage. Insbesondere der die Abstimmung begleitende Lärm war ein Gradmesser für die Verfasstheit der europäischen Demokratie. Um die ist es gerade nicht gut bestellt.

Deshalb bleibt zu hoffen, dass nun alle Seiten ihren Frust abgeladen haben und die politische Mitte nach der Sommerpause wieder auf Konsens setzen wird. Europa kann sich angesichts der weltpolitischen Verwerfungen und der Herausforderungen – ob es um den Zollstreit mit den USA, um Migration, Wettbewerbsfähigkeit oder Klimawandel geht – kein handlungsunfähiges EU-Parlament leisten.

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