Eines räumen selbst die Gegner der sozialistischen Präsidentschaftskandidatin und Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo ein: Die Frau müsse Nerven aus Stahl haben. Er erkenne ihre „Kämpfernatur“ an, sagte der ehemalige sozialistische Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll, ein parteiinterner Kritiker der 62-Jährigen. In Umfragen im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf liegt sie als Spitzenkandidatin der einstigen großen Volkspartei, die zuletzt zwischen 2012 und 2017 mit Präsident François Hollande regierte, derzeit bei 1,5 bis zwei Prozent und damit sogar hinter dem kommunistischen Kandidaten Fabien Roussel.
„Das Überleben der sozialistischen Partei steht infrage“, warnte Le Foll, der selbst gerne Kandidat gewesen wäre. Unter Hollande war die Spaltung in eine sozialdemokratische und eine sozialistische Linie offensichtlich geworden, ohne dass er die beiden Lager miteinander vereinen konnte. Davon hat sich die Partei nicht mehr erholt. Das Desaster, das sich bei den Wahlen im April für sie anbahnt, droht noch dramatischer auszufallen als 2017, als der Sozialist Benoît Hamon enttäuschende 6,4 Prozent holte. Es wäre auch ein finanzielles, denn nur Parteien, die mehr als fünf Prozent der Wählerstimmen erreichen, wird ein Teil der Wahlkampfausgaben durch den Staat erstattet.
Während das linke Lager in etlichen europäischen Ländern von Portugal über Deutschland bis Dänemark eine neue Stärke erlebt, spielt es im französischen Wahlkampf kaum eine Rolle. Bei regionalen Wahlen konnten die Sozialisten in den vergangenen Jahren zwar Erfolge erzielen, doch auf nationaler Ebene bestimmen die Parteien des rechten Spektrums die Debatten mit ihrer Kritik an Ausländern und Muslimen. Dass Hidalgo zum Auftakt ihrer Wahlkampagne eine Verdoppelung der Lehrergehälter und höhere Löhne unter anderem für Kassiererinnen versprach, entspricht zwar den Erwartungen vieler Menschen, deren Hauptsorge die Kaufkraft ist. Doch die Vorschläge verfingen nicht. Viele einstige Linkswähler sind zur extremen Rechten gewechselt, wo sich Rechtspopulistin Marine Le Pen als Verteidigerin der „kleinen Leute“ und der Vergessenen stilisiert. Und einige Mitte-Links-Wähler finden sich auch bei Emmanuel Macron wieder.
Ein weiteres Problem der linken und grünen Parteien ist ihre Zersplitterung. Gemeinsam könnten sie es in die Stichwahl schaffen, doch einzeln bleiben alle im einstelligen Bereich. Abgesehen von der Haltung zu Europa ähneln sich die Programme oft. Neben Hidalgo und dem Kommunisten Fabien Roussel treten die Trotzkistin Nathalie Arthaud, der Antikapitalist Philippe Poutou, der Grüne Yannick Jadot, der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon und neuerdings noch Ex-Justizministerin Christiane Taubira an, die den Sozialisten nahesteht. Sie wurde Ende Januar bei der Bürger-Abstimmung „Primaire populaire“ von insgesamt 467.000 Teilnehmern gewählt. Diese hatte sich eben zum Ziel gesetzt, einen einheitlichen Kandidaten zu bestimmen. Außer Taubira verweigerten allerdings alle anderen, das Votum anzuerkennen.