Was für ein grandioses Panorama: die Rocky Mountains hinter dem Tagungsort der G7-Gipfelteilnehmer in Kanada. Es hätte so idyllisch sein können, wäre da nicht der Krieg zwischen Israel und Iran, der seit vergangenem Freitag tobt und nicht nur Tote und Verletzte in beiden Ländern fordert. Auch die Staaten, die zwischen den beiden Erzfeinden liegen, sind lahmgelegt.
Durch den permanenten Austausch von Raketen, Drohnen und sonstigen Geschossen, die Israel auf den Iran abfeuert und der Iran auf Israel, sind die Lufträume im Irak, in Syrien und in Jordanien geschlossen. Tausende Reisende sitzen fest. Lediglich die jordanische Fluggesellschaft Royal Jordanian fliegt unregelmäßig ihre Landsleute zurück nach Amman.
So wurde das Treffen der wichtigsten Wirtschaftsnationen in Kananaskis zum Krisengipfel über den Nahen Osten. US-Präsident Donald Trump reiste deshalb vorzeitig ab. So jedenfalls lautete seine offizielle Begründung. In den nächsten 48 Stunden wird sich entscheiden, ob die USA ins Kriegsgeschehen eingreifen oder nicht.
Israel kämpft an fünf Fronten
Gaza, Libanon, Syrien, Jemen und jetzt noch der Iran: Israel kämpft an fünf Fronten. Man kann sagen, der Nahe Osten steht in Flammen – vom Mittelmeer bis zum Persischen Golf. Schon lange hing der Krieg gegen den Iran in der Luft, immer wieder stiegen die Spannungen, wurden Angriffe gegen Atomanlagen im Ajatollah-Staat geflogen, mal von den Amerikanern, meistens von Israel, wurden Nuklearwissenschaftler auf offener Straße in Teheran getötet.
Der Iran dürfe keine Bombe haben, lautet die Begründung bis heute. Der Konflikt um das iranische Atomprogramm reicht bis in die 1960er-Jahre zurück. 2010 startete Israel eine erste erfolgreiche Attacke auf die iranische Atomanlage in Natans – mit einem Computervirus, der sich „Stuxnet“ nannte. Zentrifugen zur Anreicherung von Uran wurden zerstört, die Entwicklung der Bombe erschwert. 2015 dann ein Verhandlungsdurchbruch: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA, Russland, China und Iran unterzeichneten am 14. Juli die sogenannte Wiener Nuklearvereinbarung, die einen Stopp der Urananreicherung beinhaltete.
Israels Premier Benjamin Netanjahu gab sich damit nicht zufrieden. Medienwirksam präsentierte er drei Jahre später Zehntausende Seiten an Daten, die belegen sollten, dass der Iran sein eigentliches Atomprogramm vertuscht habe und weiter an einer Bombe arbeite. US-Präsident Donald Trump folgte ihm und kündigte das Atomabkommen einseitig auf. Seitdem nahm die Anreicherung iranischen Urans größere Ausmaße an. Die Wiener Atomenergiebehörde (IAEA) schätzt, dass mittlerweile 60 Prozent erreicht seien. Für Kernwaffen wird eine Anreicherung auf 85 bis 90 Prozent benötigt.
Israels Armee kommt an ihre Grenzen
Dass Trump ein neues Abkommen mit Iran verhandeln will, ist Netanjahu ein Dorn im Auge. Er schafft Tatsachen und schlägt zu. Die Sicherheit Israels stehe auf dem Spiel, auch die Sicherheit Europas, hört man aus Jerusalem. Denn Irans Nuklearwaffen könnten auch Deutschland erreichen, so Israels Außenminister neulich in Berlin. Das allerdings ist mehr als fraglich.
Warum Israel gerade jetzt zuschlägt, ist auch den anderen Kriegsschauplätzen geschuldet. Die Hamas in Gaza ist geschwächt, die Hisbollah im Libanon nahezu besiegt – zwei Verbündete, die Iran zu seinem Schutz über Jahre aufgebaut hatte. Dann der Sturz Assads in Syrien, den Teheran zusammen mit Russland jahrelang am Leben hielt. Aus der Sicht Netanjahus gute Voraussetzungen also, um eine direkte Konfrontation mit Iran einzugehen.
Allerdings kommt Israels Hightech-Armee schon nach fünf Tagen Krieg an ihre Grenzen. Ohne die USA kann sie nicht die unterirdischen Anlagen zerstören, die Teheran mittlerweile errichtet hat. Sie braucht bunkerbrechende Raketen, und die hat nur Donald Trump.
Der US-Präsident muss entscheiden, ob er mitmacht oder nicht. Eines allerdings dürfte mit ziemlicher Sicherheit nicht eintreten: dass sich das iranische Volk gegen seine Führung erhebt, wie Netanjahu fordert. Iranerinnen und Iraner verlassen gerade in Scharen Teheran und diejenigen, die bleiben, stehen geschlossen hinter ihrer Regierung.