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Umgang mit Israel Krieg im Nahen Osten zeigt die Spaltung der EU-Mitgliedstaaten

Der neue Krieg im Nahen Osten zeigt einmal mehr die Spaltung der EU-Mitgliedstaaten beim Umgang mit Israel. Daraus resultiert eine Unentschlossenheit, die den Europäern den Einfluss raubt, meint Katrin Pribyl.
21.06.2025, 05:00 Uhr
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Krieg im Nahen Osten zeigt die Spaltung der EU-Mitgliedstaaten
Von Katrin Pribyl

Europas Außenminister wollen kommende Woche „mögliche nächste Schritte“ in Sachen Israel-Iran-Krieg besprechen. So nannte es die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in dieser Woche. Doch welche das sein könnten, ließ die Estin offen. Allzu viele Möglichkeiten gibt es nicht. Denn die jüngsten Luftangriffe Israels auf den Iran sowie die Gegenschläge Teherans offenbarten die alte Spaltung der Mitgliedstaaten abermals wie unter dem Brennglas. An dem einen Ende des Spektrums befinden sich Länder wie Deutschland oder Österreich, die traditionell fest an der Seite Jerusalems stehen. Im anderen Lager sind Frankreich, Irland oder Belgien, die angesichts Zehntausender palästinensischer Todesopfer Sanktionen gegen die Regierung unter Benjamin Netanjahu verlangen und auch die Angriffe auf den Iran kritisch bewerten.

Zwar hat es am Wochenende überraschend zu einem gemeinsamen Statement gereicht. Darin forderten die EU-Länder „alle Seiten“ auf, „sich an das Völkerrecht zu halten, Zurückhaltung zu üben und von weiteren Schritten abzusehen, die schwerwiegende Folgen wie eine mögliche Freisetzung radioaktiver Stoffe haben könnten". Von einem Recht auf Selbstverteidigung Israels war nicht die Rede. Mit diesem Argument unterstützt die Bundesregierung das Vorgehen Netanjahus – genauso wie die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Und hier liegt das Problem. Hinter den Kulissen werfen ihr Diplomaten einen „Alleingang“ und „Einseitigkeit“ vor. Es bestehe ein „großer Unterschied“ zwischen dem Recht auf Selbstverteidigung und dem Start einer „präventiven Militäraktion“, sagte ein EU-Beamter. Und auch Kallas betonte lediglich die Notwendigkeit eines Waffenstillstands und einer diplomatischen Lösung. Die Frage, die sich stellt: Wer spricht nun für Europa? Von der Leyen oder Kallas? „Irgendwie beide“, befand ein Diplomat. Nur folgt Kallas deutlich mehr der Linie der Mehrheit.

Von der Leyen steht zurecht in der Kritik

Die Kommissionspräsidentin steht dagegen seit der Eskalation im Nahen Osten zurecht in der Kritik. Für Unmut sorgt, dass sie sich kurz nach dem Terroranschlag der Hamas klar hinter Israel gestellt hatte, ohne auf die Einhaltung internationalen Rechts zu pochen. Und dass sie sich dann eineinhalb Jahre überhaupt nicht mehr äußerte. Auch wenn von der Leyen angesichts der Uneinigkeit in der Gemeinschaft mit keiner Strategie gewinnen kann, gab die mächtigste Frau der EU ein schwaches Bild in der Krise ab – trotz der katastrophalen Zustände in Gaza, dem Leid der Menschen und dem immer aggressiveren Vorgehen der Israelis. Überträgt von der Leyen die deutsche Staatsräson auf Europas Position? Zahlreiche Parlamentarier werfen der Brüsseler Behördenchefin vor, ohne den Konsens oder das Mandat der EU-Mitgliedstaaten zu handeln. „Wie kann die Präsidentin der EU-Kommission angesichts der Pläne der Ausrottung und ethnischen Säuberung, die wir jeden Tag live aus dem Gazastreifen übertragen bekommen, schweigen?“, hatte vergangenen Monat die Fraktionschefin von Europas Sozialdemokraten, die Spanierin Iratxe García, gefragt. Der Ärger nahm noch zu, als sich nicht von der Leyen der Debatte im Hohen Haus Europas stellte, sondern sie den maltesischen EU-Kulturkommissar Glenn Micallef vorschickte. Das am wenigsten erfahrene Mitglied des Kabinetts zu entsenden, zeigt von der Leyens Verständnis von Demokratie und Transparenz. Obwohl sie sich Ende Mai zu Wort meldete und das israelische Vorgehen „abscheulich“ nannte. Der Schaden ist angerichtet. Ein Diplomat bezeichnete ihre Worte als „zu wenig zu spät“.

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Mehrheit der EU-Länder steht Israel kritisch gegenüber

Tatsächlich steht mittlerweile eine Mehrheit der EU-Länder Israel kritisch gegenüber. Doch selbst im traditionell israelfreundlichen Lager veränderte sich der Ton in den letzten Wochen deutlich. So gaben im Mai 17 der 27 Mitgliedstaaten einem Vorschlag zur Überprüfung des sogenannten Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel, eines politischen und wirtschaftlichen Kooperationsvertrags, grünes Licht, um den Druck auf Israel zu erhöhen, die humanitäre Blockade des Gazastreifens zu beenden. Die Niederländer hatten den Vorstoß unternommen, weil sie Artikel zwei des Abkommens als verletzt betrachten, der besagt, dass das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien auf der Achtung der Menschenrechte und demokratischen Grundsätzen beruht. In Brüssel wird damit gerechnet, dass Kallas nächste Woche eine rechtliche Review der Einhaltung der Menschenrechtsklauseln empfehlen wird. Es wäre dringend notwendig, auch wenn es nur eine diplomatische Botschaft bleiben dürfte, denn eine vollständige oder selbst teilweise Suspendierung des Abkommens würde die Einstimmigkeit aller EU-Staaten erfordern, was man angesichts des Widerstands, vornweg aus Deutschland, ausschließen kann.

Einst agierte Brüssel als zentraler Akteur in den Atomverhandlungen mit dem Iran. Mittlerweile aber findet die Gemeinschaft kaum noch Wege, wie sie zur Deeskalation in der Region aufrufen kann. Ohne gemeinsame Linie und ernsthafte Debatten über wirkliche Sanktionen gegenüber Israel ist das auch unmöglich. Und so entlarvt das Thema Nahost weiter die Doppelmoral der Europäer. Längst haben sie ihre Glaubwürdigkeit in der Region verloren – und in Wahrheit auch jeglichen Einfluss.

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