Der Besuch des israelischen Verteidigungsministers Benny Gantz am Mittwoch in Paris, so hieß es vorab, sei schon länger geplant gewesen – das galt aber wohl nicht für das Thema, das schließlich im Zentrum des Gesprächs mit Frankreichs Armeeministerin Florence Parly stand. Seit den Enthüllungen von Amnesty International und einem Konsortium von 17 Medien um den Pariser Rechercheverein Forbidden Stories über die Pegasus-Software, die zum Ausspähen der Mobiltelefone unter anderem von Politikern, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten eingesetzt wurde, steht die israelische Regierung unter Erklärungsdruck. Unter anderem mit Paris droht eine diplomatische Krise, befand sich unter den mehr als 50.000 Pegasus-Kontakten, die seit 2016 als potenzielle Ausspähziele ausgewählt wurden, doch auch eine der Mobilfunknummern des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die dieser bis vor Kurzem regelmäßig verwendet hat.
Entwickelt wurde die Software von der israelischen Firma NSO Group. Da es sich um eine offensive Technologie handelt, muss das israelische Verteidigungsministerium Exporte grundsätzlich genehmigen. Was wusste die Regierung in Jerusalem über die möglichen Kunden und Ausspähziele? Hätte Pegasus ohne die Einwilligung des ehemaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zur machtvollen Cyber-Waffe teils autoritärer Regime werden können, welche nicht unbedingt offizielle Beziehungen zu Israel unterhalten? Wie steht die neue Regierung unter Naftali Bennett zu den Vorwürfen?
Paris fordert Aufklärung über diese Fragen, ebenso über die nach den künftigen Vorkehrungen gegen Missbrauch der Software. Inzwischen hat Israel ein Komitee eingerichtet, das die Geschäfte von NSO Group überprüfen soll. Ob Macrons Mobiltelefon wirklich abgehört wurde oder Daten abgefischt werden konnten, gilt als unsicher. Ein Mitarbeiter von NSO Group schloss dies in einem Fernsehinterview aus. Gefunden wurden in der Kontaktliste auch die Nummern von mehreren Ministern aus Macrons Kabinett, darunter von Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian.
Der marokkanische Geheimdienst steht im Verdacht, Auftraggeber zu sein – was Marokko verneint. In einem Interview mit „Le Journal du Dimanche“ forderte der Botschafter von Marokko in Frankreich, Chakib Benmoussa, „Beweise“ für die Anschuldigungen, die haltlos seien. Demgegenüber stützte die Zeitung „Le Monde“, die dem Recherche-Konsortium angehört, mit präzisen technischen Erklärungen die Behauptung, dass Rabat als Kunde von Pegasus unter anderem das Abhören französischer Regierungsmitglieder in Auftrag gegeben habe. Um mehr Klarheit über diese Vorgänge zu erhalten, berief Macron unmittelbar nach deren Bekanntwerden eine Krisensitzung des Sicherheits- und Verteidigungsrates ein und gab weitere Untersuchungen in Auftrag. Frankreichs Präsident nehme das Thema sehr ernst, sagte Regierungssprecher Gabriel Attal.