Emmanuel Macron ist bekannt als Mann, der nichts dem Zufall überlässt – und das galt auch für die Vorstellung seines Wahlprogramms am Donnerstag. Als Ort wählte er nicht etwa einen der Prunksäle in Paris, sondern einen modernen Veranstaltungsraum in Aubervilliers im nördlich gelegenen Département Seine-Saint-Denis – dem ärmsten, aber auch jüngsten Frankreichs. Das passte insofern, als Macron die Bereiche Bildung und Erziehung als eine der Hauptsäulen seines Programms vorstellte, mit dem Ziel einer umfassenden Schulreform, damit die soziale Herkunft nicht mehr über die Erfolgsaussichten der Kinder entscheide.
Seine Kritiker hatten befürchtet, Frankreichs Präsident würde sich den Wahlkampf fast komplett sparen, weil er angesichts des Kriegs in der Ukraine wenig abkömmlich ist und dieses Thema die Kampagne überlagert. Zugleich hat Macron in den letzten zwei Wochen in den Umfragen um mindestens sechs Punkte auf über 30 Prozent zugelegt und ist damit absoluter Favorit. Gut drei Wochen vor dem ersten Wahlgang am 10. April, auf den am 24. April die Stichwahl folgt, erklärte der 44-Jährige nun also, was er in einer weiteren fünfjährigen Amtszeit vorhabe. Er stellte seine Vorschläge, die alle Gesellschafts- und Politikbereiche berührten, unter Schlagworte wie jenes eines „unabhängigen Frankreich innerhalb eines starken Europa“.
Klimaneutralität bis 2050
Sein Programm nähre sich von den Krisen der vergangenen Jahre und der „Rückkehr des Tragischen in der Geschichte“, sagte Macron in Anspielung auf den Ukraine-Krieg. Er lobte seine eigene Entscheidung von 2017, stärker in das Militär zu investieren, sodass Frankreich trotz der Corona-Krise 2020 zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aufwende. Bis 2025 erreiche das Budget jährlich 50 Milliarden Euro. Darüber hinaus müsse das Land unabhängiger hinsichtlich der landwirtschaftlichen Erzeugnisse sowie der Industrie- und Energie-Produktion werden.
Macron versprach, sich weiter auf EU-Ebene dafür einzusetzen, den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln. Um 2050 Klimaneutralität zu erreichen, wolle er die erneuerbaren Energien massiv ausbauen und einen Plan für den Bau neuer Atomkraftwerke auflegen. Bereits vor einigen Wochen hat er die Schaffung von mindestens sechs neuen Druckwasserreaktoren und die Option auf acht weitere angekündigt. Die Unabhängigkeit des Landes laufe auch über mehr Geld für Forschung und Wissenschaft, betonte Macron. Er denke an einen Investitionsplan in Höhe von 30 Milliarden Euro in „Zukunftsbereiche“ von Biomedikamenten bis hin zur künstlichen Intelligenz.
Für den arbeitsrechtlichen Bereich sagte Macron, er strebe Vollbeschäftigung an und wolle die bisherige Arbeitsagentur umwandeln sowie die aktuelle soziale Mindestsicherung reformieren. Auch greife er im Fall seiner Wiederwahl die Rentenreform wieder auf, die er gegen heftigen Widerstand schon durchgesetzt hatte und dann bei Ausbruch der Pandemie schließlich doch auf Eis legte. Dass er das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 65 Jahre erhöhen will, war bereits durchgesickert.