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Großbritannien Rishi Sunaks Migrationspläne sind an einem gefährlichen Punkt

Der britische Premierminister Rishi Sunak gerät wegen seines Ruanda-Pakts immer stärker unter Druck. Das Urteil des Obersten Gerichtshofes untergraben zu wollen, ist inakzeptabel, meint Susanne Ebner..
11.12.2023, 05:00 Uhr
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Von Susanne Ebner

Live-TV ist am aufreibendsten“, gestand Rishi Sunak einem britischen Journalisten. In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz lagen die Nerven bei ihm offenbar blank. Als man ihn mit Fragen nach möglichen Neuwahlen konfrontierte, wurde er wütend. Der Premier steckt in der größten Krise seiner Amtszeit.

Dazu geführt hatte ein umstrittener Plan der Tory-Regierung. Der britische Premier will illegale Migranten, die in kleinen Booten den Ärmelkanal überquert haben, um jeden Preis nach Ruanda schicken. Sein vorgelegter Gesetzentwurf, der das ostafrikanische Land entgegen dem Urteil des Obersten Gerichtshofes als sicher einstuft, geht Teilen seiner Partei nicht weit genug, anderen zu weit. Bedenklich ist jedoch vor allem, dass das Urteil des Supreme Court damit untergraben wird.

Erstmals vorgeschlagen wurden die britischen Ruanda-Pläne von Ex-Premier Boris Johnson im April 2022. Damals geriet die Regierung zunehmend unter Druck, gegen die wachsende Zahl illegaler Migranten vorzugehen, die mithilfe von Schleppern nach Großbritannien kamen. Um diese von der gefährlichen Überfahrt abzuschrecken, sollten irreguläre Einwanderer in Lagern interniert und dann auf schnellstem Wege nach Ruanda ausgeflogen werden. Eine Rückkehr nach Großbritannien war nicht vorgesehen. Das erste Flugzeug sollte im Juni 2022 abheben. Doch die Zahl der Passagiere schrumpfte immer weiter, nachdem Betroffene gegen das Vorhaben geklagt hatten. Schließlich schritt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein, und der Flug wurde in letzter Minute gestoppt.

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Die konservative Regierung hielt dennoch an ihrem umstrittenen Plan fest, der schließlich alle rechtlichen Instanzen durchlief. Im Juni erklärte ein britisches Gericht das Vorhaben für illegal. Ruanda sei nicht sicher, hieß es. Dieses gut begründete Urteil wurde Mitte November vom Supreme Court bestätigt.

Statt einzugestehen, dass das Vorhaben gescheitert war, behielt Sunak seinen Kurs bei, auch um gegenüber der Labourpartei klare Kante zu zeigen. Noch am selben Tag versprach er einen neuen Deal mit dem ostafrikanischen Land und einen Gesetzesentwurf, der es dem Parlament erlauben sollte, Ruanda zu einem sicheren Land zu erklären – unabhängig davon, was das Oberste Gericht beschlossen hatte. Auch der EGMR, so Sunak, solle nichts mehr zu sagen haben. Noch weiter verstrickte sich der Premier, indem er in Aussicht stellte, dass die ersten Flüge nach Ruanda im Frühjahr 2024 starten sollen.

Seit Sunak den Gesetzentwurf vorgelegt hat, weht ihm ein kalter Wind entgegen. Während Teile der Partei die Einhaltung des Völkerrechts sicherstellen wollen, reicht der Entwurf einer größer werdenden Zahl rechtskonservativer Tories nicht aus, da der EGMR in Einzelfällen weiterhin eingreifen könne. Sie sehen die für das Frühjahr angekündigten Flüge und damit die Zukunft der Partei in Gefahr.

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Dabei ist die Situation vergleichbar mit dem Ringen zwischen Ex-Premierministerin Theresa May und Boris Johnson um den Brexit. Es sind zwei Lager, die sich nicht einig sind, wie es weitergehen soll. Beim Thema Migration kommt es schnell zum Streit und hitzigen Debatten. Ein Phänomen, das auch in der Europäischen Union zu beobachten ist, wo sich die Länder nicht auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) einigen können.

Am kommenden Dienstag werden die britischen Parlamentarier zum ersten Mal über den Gesetzentwurf abstimmen. Ein entscheidender Moment für Sunak, der über ihn als Premierminister entscheiden könnte. Deutlich wichtiger als die Debatte über die Zukunft der Tories ist jedoch die Tatsache, dass die Regierung die Rechtsprechung untergraben will. Der Oberste Gerichtshof hat festgestellt, dass Ruanda kein sicheres Land ist. Der Versuch der konservativen Partei, diese Feststellung auszuhebeln, ist inakzeptabel. Eine Regierung sollte nicht selbst entscheiden dürfen, wann Grundrechte gelten.

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