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Bundesfinanzminister besucht Paris Scholz beschwört europäische Souveränität

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat am Montag den französischen Präsidenten Emmanuel Macron besucht. Nach dem Gespräch sagte er, Europa müsse in der künftigen Weltordnung eine starke Stellung einnehmen.
06.09.2021, 19:23 Uhr
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Von Birgit Holzer

Dass ein französischer Präsident einen deutschen Finanzminister empfängt und die Presse auch in Frankreich dies hoch interessiert beobachtet, ist ungewöhnlich – üblicherweise trifft sich der Staatschef in erster Linie mit der Person an der Spitze der Bundesregierung, also der Kanzlerin. Knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl in Deutschland, auf die der Abgang Angela Merkels folgen wird, sind solche Regeln freilich außer Kraft gesetzt. Mit Olaf Scholz kam am Montag nicht nur einfach ein Minister nach Paris, sondern der derzeit laut Umfragen aussichtsreichste Kanzlerkandidat.

Die Begegnung des SPD-Kanzlerkandidaten mit Emmanuel Macron hatte dann auch etwas von einer Vor-Sondierung: Möglicherweise werden beide bald schon die neue deutsch-französische Achse bilden und damit wohl weiterhin gemeinsam als Europas „Motor“ fungieren wollen – als solcher versteht sich diese Achse. Zumindest wenn Scholz tatsächlich die nächste Koalition, welche Farben sie auch immer tragen wird, anführen sollte. Und wenn es Macron gelingt, sich im April nächsten Jahres für weitere fünf Jahre wählen zu lassen.

Es ging in dem einstündigen Gespräch am Montag denn auch wesentlich um das bilaterale Verhältnis – und um die Zukunft der EU. Scholz beschwor eine starke Stellung Europas in der künftigen Weltordnung. „Mit Frankreich zusammen müssen wir es schaffen, dass Europa diesen Weg zur Souveränität auch in Zukunft beschreitet.“ Deutschland und Frankreich hätten dafür schon immer eine wichtige gemeinsame Rolle gespielt. Die Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs sei auch für die europäische Antwort auf die Corona-Krise zentral gewesen, sagte Scholz mit Blick auf den EU-Aufbaufonds. Dies sei auch „Ausgangspunkt“ für das, was für die Zukunft gebraucht werde.

Für klimaneutrale Industrie

Zentral für die Zukunft Deutschlands wie Europas sei der Umbau zu einer klimaneutralen Industrie, sagte Scholz in Paris weiter. Macron und er stimmten darin überein und hätten über den von Scholz im Frühjahr vorgeschlagenen internationalen Klimaclub gesprochen. Klimaschutzwillige Länder sollen dabei gemeinsam vorangehen und dabei auch Standortnachteile vermeiden können. „Wir verfolgen gemeinsam einen Weg, wie wir es schaffen können.“

Keine Frage, das Verhältnis zu Frankreich liegt Scholz sehr am Herzen. Bei einer TV-Debatte im Juni nannte er auf die Frage, in welche Hauptstadt er im Fall seiner Wahl als erstes reisen würde, Paris. „Die deutsch-französische Zusammenarbeit ist zentral dafür, dass wir es schaffen, Europa voranzubringen.“ Das sei eine gute Tradition. Scholz ist durch sein Amt in Paris gut bekannt, arbeitet seit Jahren mit dem französischen Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire zusammen, den er am Montag ebenso traf wie Mathias Cormann, den Generalsekretär der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

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Von einem künftigen SPD-Kanzler dürfte sich die französische Regierung wohl noch mehr Verständnis für die Forderung nach einer weniger strikten Auslegung der EU-Schuldenregeln erhoffen. Innenpolitisch könnte es Macron, der bislang mehr um konservative Anhänger wirbt, nutzen, seine Nähe zu einer SPD-geführten Bundesregierung zu zeigen, um auch Wähler links von der Mitte anzusprechen.

Zugleich wird Macron sich hüten, im Vorfeld eine Präferenz zu zeigen – anders als sein Vorgänger François Hollande, der nach seiner Wahl zum Präsidenten 2012 die damalige SPD-Troika Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück noch vor Merkel empfangen hatte und damit wenig diplomatisches Feingefühl erkennen ließ.

Laschet kommt am Mittwoch nach Paris

Macron wird dies nicht passieren. Am Mittwoch folgt der Besuch von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet, der Macron bereits im Oktober 2020 besucht hatte. Ein Besuch der Grünen-Kandidatin Annalena
Baerbock ist derzeit nicht geplant, die auf Nachfrage wissen ließ, sie wolle „so viel Zeit wie möglich für den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land nutzen“. Macron kennt sie ebenfalls: Im Februar 2020 war sie mit ihrem Co-Vorsitzenden Robert Habeck zu Besuch im Élysée-Palast.

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