Slowenien gehört nicht gerade zu den europäischen Schwergewichten. Gut zwei Millionen Einwohner leben zwischen Österreich, Ungarn und Kroatien. Ihnen steht ein Großereignis bevor: Am Donnerstag übernimmt die Regierung des Landes, das vor 30 Jahren seine Unabhängigkeit erlangt hat, die halbjährlich wechselnde Ratspräsidentschaft der Europäischen Union. Premier Janez Jansa (62) vertritt in dieser Zeit die Union bei internationalen Spitzentreffen – neben dem ständigen EU-Ratschef Charles Michel und der Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen. Seine Kabinettsmitglieder leiten die diversen Ministerratssitzungen in Brüssel.
Doch dort sieht man diese Zeit eher mit gemischten Gefühlen. Denn der Regierungschef, der schon zwischen 2004 und 2008 sowie von 2012 bis 2013 dieses Amt innehatte, gilt trotz kommunistischer Vergangenheit inzwischen als rechtsnationaler Politiker, dessen rüder Umgangston mit seinen Gegnern immer wieder für Ärger auch in der Chefetage der EU sorgte.
Grundrechte ausgesetzt
Der jüngste Anlass: Vor wenigen Wochen stoppte Ministerpräsident Janez Jansa die Entsendung zweier Ermittler nach Luxemburg zur Europäischen Staatsanwaltschaft und ignorierte die Aufforderung der neuen Behördenchefin, Laura Kövesi, die Personalvorschläge seiner eigenen Justizministerin freizugeben.
Unliebsame Journalisten überzieht der offene Bewunderer des früheren US-Präsidenten Donald Trump via Twitter mit scharfen Lügen-Vorwürfen. Unter dem Vorwand der Corona-Pandemie-Bekämpfung ließ Jansa die Versammlungsfreiheit grundsätzlich aufheben. Wer trotzdem demonstrierte, wurde zu mehreren hundert Euro Strafe verdonnert.
Gleich reihenweise setzte er die Entfernung kritischer linker Künstler und Museumsleiter aus ihren Jobs durch. Die „New York Times“ sprach in einem Artikel von einem „Kulturkampf“. Schon vor seiner zweiten Wiederwahl hatte Jansa Zivilorganisationen und die Medien als „Feinde“ bezeichnet und betont, dass er mit ihnen abrechnen werde.
Hinzu kommt seine Bewunderung für den EU-kritischen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und dessen Konzept einer „illiberalen Demokratie“. In Slowenien gewährte Janzes Jansa regierungsnahen ungarischen Konzernen freie Bahn, als sie Banken, Tankstellenketten und Hotels aufkaufen wollten.
Ihm nahestehende Politiker in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana bemühen sich derweil, den harten Kurs der Regierung zu verteidigen. Staatssekretär Gasper Dovzan warf vor wenigen Tagen „internationalen Medien“ vor, sein Land in Misskredit gebracht zu haben. Die slowenische Regierung tue doch nichts anderes, als die Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit durch vorangegangene linke und linksliberale Bündnisse zu reparieren.
Barley: "Herausfordernde Zeit"
Kein Wunder also, dass die Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes und frühere Bundesjustizministerin, Katharina Barley (SPD), von einer „herausfordernden Zeit“ spricht. In Brüssel fragt man sich derzeit, welche Impulse ein solcher Premierminister zugunsten der EU bei der Suche nach Antworten auf die offenen Fragen setzen kann.
Denn im zweiten Halbjahr muss die Gemeinschaft klären, wie das Verhältnis zu Russland weitergehen soll, wie die Kooperation mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan ausgestaltet wird oder welche Auswege es in der festgefahrenen Asyl-Debatte gibt.
Es bleibt nur ein schwacher Trost, dass alle Ratspräsidentschaften, die in einer zweiten Jahreshälfte liegen, ohnehin nicht viel erreichen können. Denn die Arbeitspausen in den Sommerferien und gegen Jahresende reduzieren die Möglichkeiten, etwas zu gestalten und Spuren zu hinterlassen, erheblich.