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Raketeneinschlag in Polen „Kein Hinweis auf vorsätzlichen Angriff“

Die Nato geht davon aus, dass am Dienstagabend eine ukrainische Flugabwehrrakete in Polen eingeschlagen ist. Kiew treffe aber keine Schuld, betonte Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel.
16.11.2022, 17:40 Uhr
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„Kein Hinweis auf vorsätzlichen Angriff“
Von Katrin Pribyl

Es ist seit Monaten die größte Sorge im Hauptquartier in Brüssel: eine mögliche Verstrickung der Nato in den Krieg in der Ukraine und damit eine direkte Konfrontation mit Russland. Dementsprechend alarmiert zeigte sich das Bündnis, nachdem am Dienstagabend eine Rakete im polnischen Dorf Przewodow im Grenzgebiet zur Ukraine eingeschlagen war und zwei Menschen getötet hatte. Einerseits.

Andererseits wollte die transatlantische Verteidigungsallianz so besonnen, maßvoll und zurückhaltend reagieren wie möglich und erst einmal die Lage prüfen. Dann gab es Entwarnung. Vorläufige Analysen legten nahe, so verkündete Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch, dass die Explosion wohl von einer ukrainischen Abfangrakete verursacht wurde, die zur Abwehr russischer Raketenangriffe abgefeuert worden sei. Es gebe „keinen Hinweis auf einen vorsätzlichen Angriff“ auf den osteuropäischen Mitgliedstaat, sagte Stoltenberg.

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Der Norweger bestätigte damit Angaben des polnischen Präsidenten. „Was passiert ist, nämlich dass eine Rakete auf unser Territorium fiel, war keine vorsätzliche Handlung“, sagte Andrzej Duda. Trotzdem, politisch dürfte das Unglück Polens Stimme künftig deutlich mehr Gewicht geben. Moskau hatte schon am Dienstag dementiert, Ziele im Grenzgebiet beschossen zu haben und bezeichnete die Berichte als „bewusste Provokation“.

Lob für Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg

Seit der erneuten Invasion Russlands in die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres legt die Allianz größten Wert darauf, nicht als Kriegspartei zu gelten. Eine weitere Eskalation soll mit allen Mitteln verhindert werden. Gleichwohl aber betont die Nato immer wieder, das Bündnisgebiet verteidigen zu wollen, sollte es zu einem Angriff kommen. Als umso brisanter wurde deshalb der militärische Zwischenfall an der Grenze betrachtet.

Doch auch wenn der Irrläufer „höchstwahrscheinlich“ von ukrainischen Luftabwehrsystemen oder Raketen stamme, treffe nicht die Ukraine die Schuld, wie Stoltenberg mehrmals bekräftigte. „Russland trägt die Verantwortung“ für das, was in Polen passiert sei. Es handele sich um „eine direkte Folge des andauernden Krieges“ und der Angriffswelle aus Russland auf ukrainische Städte am Dienstag. Das attackierte Land habe jedes Recht, sich zu wehren.

Dass der Kreml offensive militärische Aktionen gegen das Bündnis plane, dafür gebe es laut Stoltenberg keine Anzeichen. Er versicherte aber, dass sich die Nato auf Unfälle wie diesen vorbereite, um zu verhindern, dass sie passieren – „und wenn sie passieren, um sicherzustellen, dass sie nicht aus dem Ruder laufen“. Die Allianz sei darauf eingestellt, mit solchen Situationen „standfest, ruhig und entschlossen“ umzugehen, sagte Stoltenberg. Der Politiker ist so etwas wie der Inbegriff von Besonnenheit. Experten lobten denn auch den gemäßigten Ton und die deeskalierende Wortwahl, die sich durch die Äußerungen aus Brüssel zogen. Am Vormittag hatten die 30 Nato-Botschafter in einer Dringlichkeitssitzung über mögliche Reaktionen beraten. Zudem ging es um eine Verstärkung der Luftverteidigung an der Ostflanke der Allianz.

Die Artikel 4 und 5

Noch kurz zuvor mutmaßten Beobachter über die Frage, ob die Regierung in Warschau sich auf Artikel 4 des Nordatlantik-Vertrags berufen und eine Aussprache der Verbündeten verlangen würde. Polen hatte diese Möglichkeit geprüft, sah nach einem Telefonat mit Stoltenberg und US-Präsident Joe Biden dann aber keinen Anlass, das Verfahren einzuleiten. Die meisten bisher gesammelten Beweise deuteten darauf hin, dass „die Auslösung von Artikel 4 dieses Mal vielleicht nicht notwendig sein wird“, hieß es von Regierungschef Mateusz Morawiecki. In diesem sichern sich die Nato-Staaten „Konsultationen“ in allen Fällen zu, in denen ein Mitglied „seine territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit“ gefährdet sieht. Daraus gehen aber nicht zwingend gemeinsame Schritte hervor.

Artikel 5 wäre dagegen deutlich weitreichender. Darauf beruht die gemeinsame Sicherheitsgarantie der Allianz. Der Eckpfeiler des Vertrags besagt, dass ein „bewaffneter Angriff“ auf ein Nato-Mitglied eine Attacke auf alle ist – und eine kollektive Antwort vorsieht. In der Geschichte der Organisation wurde der sogenannte Bündnisfall erst einmal ausgerufen – als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001. Als Folge beteiligte sich auch Deutschland in Afghanistan am Krieg gegen die Taliban und Al-Qaida.

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