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Ausschreitungen Kalifornien will US-Regierung verklagen

Die Proteste in Kalifornien eskalieren. Gouverneur Gavin Newsom wirft US-Präsident Donald Trump vor, die Situation zu verschärfen.
09.06.2025, 19:02 Uhr
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Kalifornien will US-Regierung verklagen
Von Thomas Spang

Das letzte Mal, als ein Präsident die Nationalgarde eines Bundesstaates gegen den Willen des dortigen Gouverneurs mobilisierte, war 1965. Damals schickte Lyndon B. Johnson Truppen, um den Schwarzen bei der Durchsetzung ihrer Bürgerrechte in dem von Rassisten regierten Alabama zu helfen. Die aktuelle Situation in Los Angeles könnte nicht unterschiedlicher sein.

Was am Freitag als Proteste gegen Razzien der Einwanderungspolizei ICE begann, entwickelte sich über das Wochenende zu gewalttätigen Ausschreitungen mit Dutzenden Festnahmen. Tausende Demonstranten gingen auf die Straße, blockierten den Highway 101 und versammelten sich vor einem Abschiebegefängnis der Bundesregierung im Stadtzentrum.

In Paramount, einem Vorort mit 80 Prozent hispanischer Bevölkerung, warfen Protestierende Steine und Flaschen auf Beamte. Die Polizei setzte Tränengas, Gummigeschosse und Blendgranaten ein. Bis Sonntag nahmen die Behörden mehr als 50 Personen fest, drei Polizisten wurden verletzt.

Die Lage eskalierte, nachdem US-Präsident Donald Trump am Sonnabend sein Dekret zur Entsendung von 2000 Nationalgardisten unterzeichnet hatte. „Es gab kein Problem, bis Trump sich eingemischt hat“, hielt Gouverneur Gavin Newsom dem Präsidenten vor. Bürgermeisterin Karen Bass hatte gewarnt, dass die Entsendung der Truppen selbst „eine gefährliche Eskalation“ darstelle. Sie würde „ein Gefühl von Angst und Chaos in unsere Stadt“ bringen.

Der Polizeichef von LA, Jim McDonnell, stellte nüchtern fest, wie aufgeheizt die Stimmung nach dem Aufmarschieren der ersten 300 Nationalgardisten war. „Wenn ich mir die Gewalt von heute so ansehe, denke ich, dass wir die Lage neu bewerten müssen.“

Niemand vor Ort bestreitet, dass professionelle Krawallmacher die Proteste für ihre Zwecke auszunutzen versuchten. Experten weisen darauf hin, dass so etwas auch nach Sportereignissen passiert und oft größere Schäden anrichtet. Das rechtfertige aber nicht die Ausrufung eines Notstands.

Dauerfehde mit Kalifornien

Für Trump dagegen sind die Proteste gegen das Vorgehen der Einwanderungspolizei ICE ein Hebel, um seine Dauerfehde mit der Hochburg der Demokraten in Kalifornien zu eskalieren. Der Bundesstaat verweigert die Kooperation bei den von Washington angeordneten Massenabschiebungen. Lokale Behörden dürfen nach kalifornischem Recht die ICE-Beamten nicht unterstützen. Hinzu kommen Streitthemen wie Transgender-Rechte, die Klima- und Verkehrspolitik.

Newsom, möglicher Präsidentschaftskandidat der Demokraten 2028, unterstellt Trump politisches Kalkül. „Der Präsident versucht, Emotionen aufzuheizen und eine Reaktion zu provozieren." Trump hoffe auf Bilder von Gewalt und Chaos, weil er darauf setzt, dass ihm dies politisch nutzen werde. „Um erfolgreich zu sein, muss Kalifornien scheitern.“ Er forderte den Präsidenten auf, nicht zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen.

Trump dagegen drohte mit der zusätzlichen Entsendung von US-Marines, also regulären Soldaten, die gegen Amerikaner in Stellung gebracht würden. Eine höchst umstrittene Maßnahme, für die es hohe gesetzliche Hürden gibt. Das Weiße Haus stilisierte die Ereignisse in Los Angeles bereits zu einer existenziellen Bedrohung für die nationale Sicherheit. Es veröffentlichte Bilder von Demonstranten, die Flaggen anderer Länder schwenkten – darunter mexikanische und salvadorianische. Diese Aufnahmen sollten suggerieren, dass sich die Regierung gegen eine ausländische Invasion wehrt.

Der Präsident behauptete auf Truth Social, Los Angeles sei „überfallen und besetzt von einem gewalttätigen Mob“ und müsse „von der Migranten-Invasion befreit“ werden. Der stellvertretende Stabschef im Weißen Haus, Stephen Miller, dramatisierte die Lage zu einem „Kampf um die Rettung der Zivilisation“.

Der für die Massendeportationen zuständige Tom Homan drohte in einem Interview mit der Verhaftung von lokalen Verantwortlichen, die sich den Einwanderungsrazzien widersetzten. Er machte sie zu Sündenböcken dafür, dass die Einwanderungspolizei bisher weit hinter den angestrebten Quoten von 3000 Abschiebungen am Tag zurückbleibt. Der Gouverneur und die Bürgermeisterin sollten dem Präsidenten dankbar sein, dass er bei der Wiederherstellung der Ordnung hilft. Newsom hielt dagegen: „Tom, nimm mich fest. Lass uns zur Sache kommen.“

Trump bewegt sich rechtlich in Garuzone

Rechtlich bewegt sich Trump mit seinem Dekret in einer Grauzone. Er beruft sich darin auf ein selten genutztes Gesetz, das die Entsendung der Nationalgarde erlaubt, wenn „eine Rebellion oder die Gefahr einer Rebellion gegen die Autorität der Regierung der Vereinigten Staaten“ besteht.

„Das ist beispiellos“, kritisierte Elizabeth Goitein vom Brennan-Zentrum für Gerechtigkeit. „Der Einsatz des Militärs zur Unterdrückung ziviler Unruhen soll ein absolut letztes Mittel sein.“ Die Expertin der Bürgerrechtsorganisation ACLU, Hina Shamsi, sprach ihrerseits von einer „unnötigen“ Reaktion auf Proteste, die provokativ sei und einen Machtmissbrauch darstelle.

Gouverneur Newsom fordert offiziell den Rückzug der Nationalgarde. In einem Brief an Verteidigungsminister Pete Hegseth verlangte er, Trump solle den Einsatz der Truppen widerrufen, da die Bundesmaßnahmen die Situation nur anheizten. „Trump hat die Nationalgarde entsandt, um Chaos und Gewalt zu erzeugen“, schrieb Newsom auf X. „Jetzt sind die Dinge destabilisiert, und wir müssen noch mehr Polizeikräfte schicken, nur um Trumps Chaos aufzuräumen.“

Der Gouverneur kündigte außerdem an, die Regierung wegen des „rechtswidrigen“ Einsatzes zu verklagen und warf Trump einen „schwerwiegenden Verstoß gegen bundesstaatliche Souveränität“ vor. Die Entscheidung sei nicht getroffen worden, „weil es einen Mangel an Polizeikräften gibt, sondern weil Trump ein Spektakel will.“

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