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Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont gab in Kreuzberg eine Pressekonferenz Bizarrer Auftritt in Berlin

Berlin. Gegen Ende – es war gegen ein Uhr mittags – nahm die Veranstaltung einen leicht bizarren Charakter an. Da zog der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont aus dem Kreuzberger „Aquarium“ am Kottbusser Tor, eine Art Kulturzentrum, hinaus vor das Gebäude, zog durch den ersten Hinterhof und dann durch den zweiten.
08.04.2018, 00:00 Uhr
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Bizarrer Auftritt in Berlin
Von Markus Decker

Berlin. Gegen Ende – es war gegen ein Uhr mittags – nahm die Veranstaltung einen leicht bizarren Charakter an. Da zog der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont aus dem Kreuzberger „Aquarium“ am Kottbusser Tor, eine Art Kulturzentrum, hinaus vor das Gebäude, zog durch den ersten Hinterhof und dann durch den zweiten. Im zweiten blieb er stehen, hinter sich Mitstreiter aus der Heimat, vor sich zahllose Fotografen und Kameraleute. Im Ganzen eine beachtliche Menschentraube.

Aus den Fenstern schauten junge Frauen mit Kopftüchern, um das Geschehen in Augenschein zu nehmen. Sie sahen Männer mit gelben Schleifen am Revers. Sie sahen die katalanische Flagge. Und sie hörten schließlich die katalanische Hymne, die mit maximaler Inbrunst dargeboten wurde – ein bisschen so, als handele es sich um einen religiösen Choral.

Der 55-Jährige war am Freitag auf Kaution aus dem Gefängnis der schleswig-holsteinischen Stadt Neumünster entlassen worden, nachdem das Oberlandesgericht Schleswig zu dem Schluss gekommen war, dass er nicht der Rebellion, sondern bestenfalls der Untreue bezichtigt werden könne, was wiederum geprüft werden müsse, weshalb eine weitere Inhaftierung zunächst nicht in Betracht komme. Noch vor dem Gefängnis gab Puigdemont eine erste improvisierte Pressekonferenz, machte sich anschließend auf den Weg nach Berlin und ließ dort am Sonnabend eine zweite, nicht ganz so improvisierte Pressekonferenz folgen. Es waren nicht allein zwei Dutzend Kameraleute und Tontechniker gekommen und noch einmal so viele berichtende und kommentierende Journalisten. Dazu gesellten sich eilig herbeigeflogene katalanische Abgeordnete aus dem Lager der Separatisten, um Puigdemont beizustehen. Angeblich sollen es um die 30 gewesen sein.

Was Puigdemont sagte, war weder neu noch spektakulär. Er sei in Europa unterwegs, um für die Rechte der Katalanen zu kämpfen, sagte der einstige Regionalpräsident – durchaus im Bewusstsein des damit verbundenen Risikos für sich selbst. Dabei sei er von Dänemark kommend auf dem Rückweg gen Belgien gewesen und zu seiner eigenen Überraschung in Schleswig-Holstein festgenommen worden. Entgegen anders lautender Spekulationen beteuerte Puigdemont, „damit nicht gerechnet“, geschweige denn seine Festnahme aus propagandistischen Gründen provoziert zu haben. In jedem Fall werde er „den deutschen Behörden zur Verfügung stehen“ und sich während seines Aufenthalts in Berlin „natürlich nicht in die Politik einmischen“.

Ungeachtet dessen warb der Separatistenführer von der deutschen Hauptstadt aus für eine Vermittlung der internationalen Gemeinschaft. Denn diese sei nötig. Zugleich deutete er Kompromissbereitschaft an. Wer sich in Verhandlungen begebe, der könne dies nur tun mit dem Willen, sich selbst zu bewegen, sagte der Katalane und fügte hinzu: „Die Unabhängigkeit ist nicht der einzige Weg, sondern unser Vorschlag.“ Das klang alles sehr moderat und flexibel, ja fast demütig.

Interessanter als das, was Puigdemont sagte, war, wie er es sagte. So sprach der Exilant zunächst Katalanisch – sicheres Zeichen dafür, dass er sich primär an die eigenen Leute in der Heimat richten wollte. Dann sprach er Englisch und erst an dritter Stelle Spanisch – was man durchaus als Provokation verstehen konnte. Die Fragen beantwortete Puigdemont jeweils in der Sprache, in der sie ihm gestellt wurden. Das war ein hübsches Durcheinander. Nur Deutsch wurde nicht gesprochen, weder im Original noch als Übersetzung.

Der Freigelassene war erneut wie aus dem Ei gepellt und machte einen sehr gelassenen, zuweilen fast fröhlichen Eindruck. Auf die Frage, wo er denn in Berlin wohnen werde, erwiderte Puigdemont: „Die Polizei weiß, wo“ – und lächelte. Jedenfalls wolle er erstmal hier bleiben. Weniger gelassen reagierte unterdessen der spanische Außenminister Alfonso Dastis auf das Lob von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD). „Wir glauben, dass Kommentare zu Entscheidungen von Richtern zu diesem Zeitpunkt nicht passend sind“, tat er in Madrid kund. Barley hatte der Süddeutschen Zeitung erklärt: „Die Entscheidung der Richter in Schleswig ist absolut richtig. Ich habe sie so erwartet.“ Im Übrigen werde es „nicht einfach sein“, den Untreue-Vorwurf an
Puigdemont zu beweisen. Der sagte in Berlin: „Ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht, wie es weitergeht. Ich möchte jetzt einfach nur zu einem normalen Leben zurückfinden.“

Fest steht, dass sich die konservative spanische Zentralregierung offenbar getäuscht hat. Hatte sie anfangs wohl die Hoffnung auf eine schnelle Auslieferung des Gejagten, so macht sich nun Enttäuschung breit und das Gefühl der Einmischung in die inneren Angelegenheiten auf ganze andere Art und Weise, als man sie eigentlich erwartet hatte.

Dass der Kampf für die katalanische Sache weiter geht, verstand sich am Sonnabend in Berlin von selbst. Als Carles Puigdemont fertig war, skandierten seine Anhänger: „Unser Präsident!“ Und: „Freiheit für die politischen Gefangenen.“ Die Augenzeugen in Kreuzberg staunten dazu.

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