Seit dem 1. August ist Andrea Nahles neue Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die einstige SPD-Partei- und Fraktionschefin übernimmt damit einen der wichtigsten Posten im Land. Die Bundesagentur für Arbeit mit ihrer Zentrale in Nürnberg beschäftigt mehr als 100.000 Mitarbeiter. Sie verfügt über einen Jahresetat von 40 Milliarden Euro. Zehn Regionaldirektionen koordinieren 155 Agenturen mit insgesamt etwa 600 Niederlassungen. Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Chefin ist es, die Behörde auf angespanntere Zeiten vorzubereiten.
Laut Nahles geht es um das Kurzarbeitergeld, um mehr Geld für Menschen mit niedrigen Einkommen bei steigenden Lebenshaltungskosten und um den Bezug von Grundsicherung. Dazu gehört auch, dass die jeweilige Arbeitsagentur künftig als moderne und digitalisierte Behörde auftritt. Die Kunden sollen sich nicht länger als Bittsteller fühlen, sondern als Bürger auf Augenhöhe.
Hierarchien verschieben sich
Ein Mega-Thema ist der bereits jetzt überall spürbare Fachkräftemangel. Die Aufgabe der BA wird es deshalb nicht mehr sein, Jobs für Arbeitslose zu organisieren, sondern die vorhandenen an die vielen Unternehmen mit entsprechenden Bedarfen zu vermitteln. Nahles spricht hier von einem „Arbeitnehmermarkt“, in dem sich Hierarchien verschieben. Gerade jüngere Menschen könnten sich heute die Jobs und deren Bedingungen aussuchen. Zudem soll ihre Behörde einfacher bei Umschulungen und Weiterbildungen unterstützen.
Um den Bedarf der Unternehmen an hoch-, mittel- und niedrigqualifizierten Kräften zu stillen, blickt die neue BA-Chefin auch auf die Generation der Babyboomer. Es müsse geschaut werden, wie Ältere länger auf dem Arbeitsmarkt gehalten werden können, findet sie. Hier kommt ihr möglicherweise die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro ab dem 1. Oktober zupass. Das eingelöste Wahlversprechen ihrer Partei, der SPD, dürfte allerdings für die Arbeitgeber zum Kraftakt werden.
Ein weiteres SPD-Versprechen im Koalitionsvertrag ist das sogenannte Bürgergeld, das Hartz IV ablösen soll und von der Bundesagentur umgesetzt werden muss. Nahles selbst hatte 2019 die Idee dazu. Mit dem „Sozialstaats-Konzept“ war ihre Partei nach Nahles‘ Rückzug in den Wahlkampf gezogen. Nur wenige Tage vor ihrem Dienstantritt hat SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil denn auch die mögliche Umsetzung präsentiert. Nahles kommt nun als BA-Vorsitzende in die Rolle der Umsetzerin. Sie hofft darauf, „mit dem Kapitel Hartz abzuschließen“.
Eine komplexe Aufgabe wird die Zuwanderung von Arbeitskräften sein. Nahles hält das 2019 von Schwarz-Rot verabschiedete Fachkräfteeinwanderungsgesetz für unzureichend. Sie plädiert dafür, die Anerkennung ausländischer Qualifikationen zu vereinfachen und die Ankommenden beim Spracherwerb zu unterstützen. Zudem müsse der Familiennachzug erleichtert werden. Momentan wandern zwar jedes Jahr 1,4 Millionen Menschen aus dem Ausland ein – aber zugleich wandern 750.000 Bürger aus. Diese Zahl will Nahles halbieren, um das Fachkräfteproblem zu lindern.