Der Vorschlag zur Einführung eines „Boomer-Solis“, mit dem das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in der vergangenen Woche für Aufmerksamkeit sorgte, wird vermutlich so schnell wieder in der Schublade verschwinden, wie er hervorgeholt wurde. Die Idee, die heranwachsende Generation nicht vollständig mit den stark anwachsenden Kosten der Rente für die geburtenstarken Jahrgänge zu belasten und stattdessen für eine Umverteilung innerhalb dieser Altersgruppe selbst zu sorgen, ist zwar gut gemeint, allerdings wird sie kaum ausreichen.
Abgesehen von der Ungerechtigkeit, die dem Vorschlag innewohnt: Jahrzehntelang wurde den Boomern gepredigt, sich angesichts der demografischen Entwicklung um die eigene Absicherung im Alter zu kümmern. Jetzt soll ein Teil dieser Einkünfte, die unter anderem durch Kapitalerträge, Immobilienvermietung oder Zusatzrenten zustande kommen könnten, mit einer Abgabe von zehn Prozent belegt werden. Die wird dann mit der Gießkanne an jene verteilt werden, die nicht so gut vorsorgen konnten oder wollten. Das ist nicht fair und eine einseitige Änderung des Kleingedruckten in letzter Sekunde.
Dabei sind die Angehörigen der geburtenstarken Jahrgänge schon jetzt im Vergleich zu ihren Vorgängern stärker durch Investitionen für die eigene Altersvorsorge belastet. Diese Generation muss länger als ihre Vorgänger arbeiten und die Rente in Teilen auch versteuern. Das allerdings ist – entgegengesetzt zur landläufigen Meinung – keine ungerechte Doppelbesteuerung, da wesentliche Teile der Altersvorsorge entweder steuerfrei sind oder zumindest steuermindernd geltend gemacht werden konnten.
Auf der anderen Seite ist klar, dass die Rentenversicherung reformiert werden muss, weil die Erwerbstätigen sonst nicht mehr die Ausgaben für die Senioren schultern können. Das ist keine Bösartigkeit der Boomer gegenüber nachfolgenden Generationen, sondern schlicht der demografischen Entwicklung geschuldet. Seit Mitte der 1960er-Jahre ist die Zahl der Geburten von 2,5 auf 1,4 Kinder pro Frau zurückgegangen. Prognosen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln zufolge kommen daher 2030 auf einen Rentner noch 1,5 Beitragszahler. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Deshalb ist die Bundesregierung gezwungen, massiv umzusteuern.
Da gibt es mehrere Ansätze. Eine Möglichkeit wäre, die Zahl der Einzahlenden zu vergrößern. So zum Beispiel könnte die Rentenversicherung ab einem bestimmten Stichtag auf das Modell einer Bürgerversicherung umgestellt werden, in die auch Selbstständige und Beamte einzahlen. Das hat den Nachteil, dass eines Tages auch Leistungen aus dieser Versicherung fällig werden, doch bis dahin bleiben im Idealfall noch etwa 50 Jahre Zeit, in denen eingezahlt wird.
Die zweite Möglichkeit wäre, über Migration die Zahl der Beitragszahler zu steigern. Schon jetzt wären Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung nicht ohne die Beiträge der Zugewanderten aufrechtzuerhalten. Es ist trotzdem nicht ehrenrührig, die Bleibeperspektive für Geflüchtete in Deutschland stärker als bisher davon abhängig zu machen, ob die Sozialsysteme be- oder entlastet werden.
Drittens wird es darauf ankommen, die Erwerbsquote insbesondere von Frauen zu erhöhen. Wir können es uns auf Dauer nicht leisten, dass zu viele gut ausgebildete Frauen wegen mangelnder Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder in Teilzeit arbeiten.
Viertens wird es auch darauf ankommen, dass Menschen nach Möglichkeit auch über die Altersgrenze von 67 Jahren hinaus am Erwerbsleben teilnehmen. Einen vielversprechenden Weg schlägt die schwarz-rote Koalition mit der „Aktivrente“ ein. Das setzt aber voraus, dass die Frage des Renteneintritts künftig nicht mehr so stark wie bisher an ein bestimmtes Regelalter gekoppelt wird.
Auch die Frage der Ausgaben darf nicht unberücksichtigt bleiben. Die abschlagsfreie Rente nach 45 Arbeitsjahren ist eigentlich schon jetzt kaum noch zu finanzieren. Und Wohltaten wie die Mütterrente mögen zwar sozialpolitisch wünschenswert sein, aber führen dazu, dass der Zuschuss zur Rentenversicherung von derzeit 134,39 Milliarden Euro weiter ansteigen wird. Daher wird es höchste Zeit für die schwarz-rote Koalition, jetzt endlich die geplante Rentenkommission einzuberufen, die hoffentlich klügere Vorschläge als den „Boomer-Soli“ erarbeiten wird.