Was hat das oberste Finanzgericht entschieden?
Die Richter urteilten über die Klagen von zwei Rentnern. Sie waren überzeugt, dass sie vom Finanzamt zweimal zur Kasse gebeten wurden. Einmal habe der Staat ihre Rentenbeiträge besteuert, dann auch noch ihre Renten. Eine Doppelbesteuerung ist in Deutschland jedoch verboten. Die Richter haben sich die Fälle angeschaut und nachgerechnet. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass hier keine Doppelbesteuerung vorliegt.
Warum ist die Entscheidung dennoch brisant für den Staat?
Der Bundesfinanzhof sieht zwar aktuell keine Probleme. Langfristig werde es jedoch zu einer Doppelbesteuerung kommen. Die Richter fordern eine andere Berechnungsgrundlage für die Rentenbesteuerung. Bisher rechnen die Finanzämter den Grundfreibetrag sowie die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung dem steuerfreien Anteil der Rentenbezüge zu. Das darf nicht sein, meint das Gericht. Denn es führt für künftige Rentenbezieher dazu, dass sie mehr Beiträge aus versteuerten Einkommen einzahlen als sie später wieder steuerfrei herausbekommen. Es wäre also die doppelte Besteuerung eines Teils der Ruhegelder.
Was bedeutet dies für den Finanzminister?
Auf jeden Fall muss der Staat wohl auf Einnahmen verzichten. Nach Berechnung des Instituts der Deutschen Wirtschaft könnten sich die Ausfälle in den kommenden 20 Jahren auf 70 Milliarden Euro summieren. Wie der Bund die Weisung der Richter umsetzt, soll die nächste Bundesregierung entscheiden. Der Staatssekretär Rolf Bösinger aus dem Finanzministerium hat schon einen Weg angedeutet. So könnte die seit rund 20 Jahren und bis 2025 laufende Umstellung der Rentenbesteuerung beschleunigt werden. Dann wären beispielsweise alle Beiträge der Rente ab dem kommenden Jahr steuerfrei.
Warum wurde die nachgelagerte Besteuerung eingeführt?
Das Bundesverfassungsgericht verlangte 2002 eine steuerliche Gleichstellung von Pensionären und Rentnern. Pensionäre zahlen erst auf ihre Alterseinkünfte Steuern, während Arbeitnehmer bis dahin vor allem auf die Beitragszahlungen Abgaben entrichten mussten. Schrittweise wird das System dem der Pensionäre angeglichen, in dem Arbeitnehmer einen immer höheren Anteil an den gezahlten Beiträgen steuerlich geltend machen dürfen, dafür aber im Alter auch auf einen immer höheren Anteil der Rente Steuern bezahlen müssen.
Müssen Rentner durch das Urteil weniger Steuern bezahlen?
Die konkreten Folgen der Entscheidung sind noch offen. Gegen die aktuelle Regelung liegen rund 142.000 Klagen vor. Nach den ersten Entscheidungen ist es wahrscheinlich, dass alle Ansprüche zurückgewiesen werden. Es ändert sich daher durch das Urteil erst einmal nichts. Allerdings würden Rentner von der verlangten Änderung der Berechnungsgrundlage profitieren. Wenn die Sozialversicherungsbeiträge und der Grundfreibetrag nicht mehr angerechnet werden, fällt das zu versteuernde Einkommen geringer aus als bisher. Letztlich hängt aber alles von der Ausgestaltung der nun anstehenden Steuerreform ab.
Warum profitieren vielleicht auch Arbeitnehmer von dem Urteil?
Sollte die Bundesregierung die volle Anrechnung der Beiträge zur Rentenversicherung vorziehen, wie es das Finanzministerium andeutet, könnten Arbeitnehmer einen höheren Betrag von ihrem zu versteuernden Einkommen abziehen und müssten entsprechend weniger an den Staat abgeben. In diesem Jahr sind 92 Prozent der Beiträge abzugsfähig. Bei einem Jahresbeitrag von 4000 Euro wären das 3680 Euro. Könnten Sie 100 Prozent absetzen, müssten sie also 320 Euro weniger versteuern. Das wäre bei einem Single-Einkommen von rund 41.000 Euro eine Ersparnis von gut 110 Euro.