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Abschluss des Grünen-Parteitags Wahlprogramm mit "Deutschland" im Titel

Heftig gestritten wird auf dem Grünen-Parteitag nicht. Stattdessen gab es Mutmacher-Botschaften für Spitzenkanidatin Annalena Baerbock, die nach mehreren Patzern unter Druck steht.
13.06.2021, 17:37 Uhr
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Wahlprogramm mit
Von Anja Maier

Als das Wahlprogramm mit 98 Prozent Zustimmung angenommen ist, kommen Annalena Baerbock und Robert Habeck noch einmal auf die Bühne. Die nunmehr offiziell bestätigte Kanzlerkandidatin der Grünen bedankt sich ganz zum Schluss bei den Delegierten des Parteitages. Drei Tage lang haben diese mehr als 3000 Änderungsanträge für das Wahlprogramm beraten und abgestimmt. Drei Tage gerungen um die Frage, wie Ökologie verbunden werden kann mit Sozial-, Wirtschafts- und Außenpolitik. „Das war der einfache Teil“, zieht Baerbock Bilanz. Und dass jetzt der „richtige Wahlkampf“ beginne.

„Deutschland, Alles ist drin“, lautet der Titel des Grünen-Wahlprogramms. Dass das Wort Deutschland noch darin auftaucht, gibt einen sicheren Hinweis darauf, wie sicher der Stand des aktuellen Bundesvorstandes ist. Vor dem Treffen hatten Mitglieder Anträge angekündigt, es streichen lassen zu wollen. Kurz vor dem Start des dritten Tages hätten sie diese dann wieder zurückgezogen, hat Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Sonntag erklärt. Für Kellner ein sicheres Zeichen der Geschlossenheit.

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Auch dank dieser Anpassungsleistung konnten sich die Delegierten ausführlich dem Thema Außen- und Sicherheitspolitik zuwenden. Nach einiger Debatte einigte man sich überraschend auf die Beschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen bei der Bundeswehr – allerdings müsse zuvor verbindlich „klargemacht werden, für welche Einsatzszenarien“ sie vorgesehen seien. Für die Partei, die sich aus der Friedensbewegung heraus gegründet hat, ist dies eine Zerreißprobe: Der Antrag wurde ganz knapp mit 347 zu 343 Stimmen angenommen. Das Nato-Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, lehnen die Grünen aber weiterhin ab.

Appell der belarussischen Oppositionsführerin

Ein weiterer Schwerpunkt dieses Sonntags war die außenpolitische Haltung gegenüber Russland. Gegen Mittag sprach die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja zu den Delegierten. Die Ehefrau des inhaftierten Bloggers Sergej Tichanowski appellierte eindringlich an die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass in Belarus freie Wahlen stattfinden können. Deutschland bescheinigte sie dabei eine „Schlüsselrolle“. Die internationalen Reaktionen auf die durch Russland unterstützte Festnahme des belarussischen Journalisten Roman Protassewitsch zeigten, dass geschlossenes Handeln möglich sei. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Diktatoren Geschichte schreiben“, betonte Tichanowskaja.

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Ebenfalls am Sonntag redete Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. In seiner Videobotschaft sprach er Baerbock Mut zu und griff zugleich die Große Koalition an. Beim Klimaschutz könnte Deutschland längst weiter sein, „wenn die Bundesregierung ihren Job gemacht hätte“, sagte der 73-Jährige und sprach von „Bremsern und Bedenkenträgern“. Dass etwa der CO2-Preis angehoben werden solle, hätten SPD und Union mit den Stimmen der Grünen durchgesetzt. Dass sie mittlerweile „so tun, als würden wir eine Revolution anzetteln“, wecke große Zweifel an deren Eignung als Koalitionspartner. An Baerbock gewandt sagte Kretschmann: „Die ganze Partei steht geschlossen hinter dir.“

Sinkende Umfragewerte für Baerbock

Tatsächlich hat die Grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nach Wochen der Euphorie aktuell mit sinkenden Umfragewerten zu kämpfen. Erst kam das schlechte Abschneiden bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, dann folgte die Debatte über unkorrekte Angaben in ihrem Lebenslauf und schließlich nicht gemeldete Nebeneinkünfte. Alles zusammen hat dafür gesorgt, dass die Grünen mittlerweile wieder hinter der Union und deren Kanzlerkandidaten Armin Laschet liegen.

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Baerbocks Bewerbungsrede für die Spitzenkandidatur war die Verunsicherung anzumerken. Anders als tags zuvor Robert Habeck, der frei und schwungvoll zu den Delegierten gesprochen hatte, hangelte sie sich durch ihr Manuskript. Dass sie den Auftritt vergeigt hatte, war ihr offenbar selbst klar. Als Habeck sie unter Applaus vom Rednerpult abholte, fluchte sie herzhaft „Scheiße!“ Das Mikrofon war noch offen.

Am Ende jedoch haben die Delegierten sie mit einem starken Mandat ausgestattet. Bei der Abstimmung über  Baerbock als Kanzlerkandidaten der Grünen erhielt sie 98 Prozent der Stimmen. „Das war der einfache Teil“ – dieser Satz der Vierzigjährigen zum Abschluss des Parteitages gilt in den kommenden dreieinhalb Monaten mehr denn je.

Zur Sache

Kritischer Kurs gegenüber China und Russland

In der Außenpolitik setzen die Grünen auf deutliche Worte gegenüber den Regierungen in Peking und Moskau. Von China verlangt die Partei „ein Ende seiner eklatanten Menschenrechtsverletzungen etwa in Xinjiang und Tibet und zunehmend auch in Hongkong“, wie die Delegierten beschlossen. Nötig sei zwar konstruktiver Dialog, wo das möglich sei, aber auch „klare Gegenstrategien“, wenn das Land versuche, internationale Standards zu schwächen. Russland habe sich „zunehmend in einen autoritären Staat gewandelt und untergräbt immer offensiver Demokratie und Stabilität in der EU und in der gemeinsamen Nachbarschaft“, heißt es im Programm. Sanktionen sollten gegebenenfalls verschärft werden. Die Gaspipeline Nord Stream 2, die die Ukraine umgeht, lehnen die Grünen aus geopolitischen und Klimaschutz-Gründen ab. Anträge, die die Passagen zu beiden Staaten, China und Russland, weniger kritisch fassen wollten, wurden mit deutlichen Mehrheiten abgewiesen.

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