Fast jedes fünfte Kind in Deutschland ist armutsgefährdet. 2,9 Millionen Mädchen und Jungen haben deutlich weniger Möglichkeiten und Chancen als ihre Altersgenossen: Neue Schuhe sind für sie nicht selbstverständlich, der Besuch im Kino oder der Döner Kebab mit Freunden sind für sie weit weg vom Alltag. In Bremen waren 2021 mehr als zwei von fünf Kindern gefährdet, das entspricht 41 Prozent der Mädchen und Jungen.
Diese Zahlen veröffentlichte Anfang des Jahres die Bertelsmann-Stiftung. Sie machen deutlich, warum es wichtig ist, dass es in Deutschland künftig eine Kindergrundsicherung gibt: Wer schon mit einem dicken Päckchen Sorgen auf dem Rücken den Weg ins Leben antritt, hat auch später wenig Möglichkeiten, sich davon zu befreien.
Natürlich, es gibt in unserem Land schon viel Unterstützung für Kinder und Jugendliche: das Kindergeld, den Kinderzuschlag, den Kinderfreibetrag. Aber all diese Leistungen sind mit unsäglicher Sozialbürokratie verbunden. Antragsformulare, zuweilen auch der Besuch auf Behörden schrecken viele Familien ab. Und oft wissen sie gar nicht, worauf sie einen Rechtsanspruch haben.
Eine einheitliche Zahlung, in der all diese Leistungen sowie das Bürger- und das Wohngeld für die Kinder zusammengefasst sind, beantragt bei einer Behörde, wäre deswegen nicht nur eine strukturelle Erleichterung. Sie würde auch sicherstellen, dass jeder das bekommt, was ihm von Gesetzes wegen zusteht.
Das aber reicht eigentlich nicht. Gerade in der Inflation, in der die Schere zwischen den Preisen auf der einen Seite und den Löhnen auf der anderen Seite immer weiter auseinandergeht, brauchen auch die Sozialkassen mehr Geld. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat deswegen recht, wenn sie bis zu zwölf Milliarden Euro für bedürftige Kinder fordert.
Dieses Geld sollten uns die nächsten Generationen wert sein. Denn wer bei Kindern und Jugendlichen spart, spart auch an der Zukunft des Landes. Zu oft müssen Familien mit wenig Einkommen darum kämpfen, dass ihre Kinder an Schulausflügen teilnehmen oder auf Klassenfahrten mitfahren können. Zu oft müssen Eltern Wünsche ihrer Kinder unerfüllt lassen, sei es neues Spielzeug oder das eine oder andere angesagte Kleidungsstück.
Dabei geht es nicht nur um Familien, die Bürgergeld beziehen und eine Chance haben, sich die eine oder andere Leistung vom Amt erstatten zu lassen. Es geht vor allem auch um jene Familien, bei denen die Eltern Löhne knapp über dem Mindestlohn bekommen; bei denen das Einkommen für herkömmliche Sozialleistungen zu groß ist, die aber trotzdem jeden Cent zum Leben zweimal umdrehen müssen. Auch sie brauchen Unterstützung, sollen ihre Kinder nicht von vornherein zu den Benachteiligten gehören.
Gespart werden kann an anderer Stelle. Wer viel verdient, kann auch stärker zur Kasse gebeten werden. Das ist eine Binsenweisheit, die aber so lange dringlich zu beachten bleibt, solange sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter spreizt.
Deshalb ist es auch richtig, wenn die Berliner Ampelkoalition das Elterngeld künftig nur noch an Paare zahlen will, die weniger als 150.000 Euro gemeinsames Haushaltseinkommen zur Verfügung haben. Nur zur Erinnerung: Die Einkommensgrenze lag im vergangenen Jahr bei 125.000 Euro.
Wer von der Neuregelung betroffen ist, gehört also sicher nicht zum ärmeren Teil der Bevölkerung. Und ganz generell sollten auch kinderlose Wohlhabende stärker zugunsten bedürftiger Kinder und Jugendlicher zur Kasse gebeten werden. Denn auch heute noch gilt das afrikanische Sprichwort: „Um ein Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.“ Nur, dass das Dorf im Fall von Deutschland und seinen Kindern eben die ganze Bundesrepublik ist.