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Neuwahl Ein Kabinett mit einem schweren Erbe

Die neue Bundesregierung steht vor großen Herausforderungen. Mit hohen Erwartungen der Wähler und einem schweren Erbe muss sie sich bewähren. Leicht wird es nicht, meint Silke Hellwig.
16.12.2024, 05:00 Uhr
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Ein Kabinett mit einem schweren Erbe
Von Silke Hellwig

Leicht wird es nicht: Die jüngste Vergangenheit lastet auf den Politikerinnen und Politikern, die Lage der Nation ist schwierig, die Erwartungen der Wählerinnen und Wähler sind hoch: Die nächste Bundesregierung soll anders sein als ihre Vorgängerin – stabiler, verlässlicher und die Zusammenarbeit harmonischer. Reformfreudig sollen die Koalitionspartner sein, bereit, unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn es zur Genesung des sogenannten kranken Manns Europas beiträgt.

Die nächste Regierung soll Versprechen halten, die andere gegeben haben. Die Wirtschaft soll angekurbelt, der Sanierungsstau abgebaut, der Klimawandel aufgehalten, der Mittelstand soll unterstützt werden. Bürgerinnen und Bürger mit niedrigem Einkommen sollen bedacht, die Asylpolitik soll überdacht werden. Von Vorteil wäre auch, wenn Mädchen und Jungen an den Schulen besser ausgebildet würden, unabhängig von ihrer familiären Herkunft. Und wenn man schon dabei ist: Züge sollen wieder pünktlich fahren, die Arbeitszeit soll sinken, die Löhne sollen steigen, weiße Weihnachten wären auch ganz schön und Weltfrieden selbstverständlich.

Die Zukunft der Schuldenbremse ist ungewiss, selbst CDU-Chef Friedrich Merz scheint eine Reform nicht mehr auszuschließen. Im August dieses Jahres plädierte indes eine knappe Mehrheit der Bevölkerung in einer Umfrage für den "Deutschlandtrend" dafür, an ihr festzuhalten. Kurz: Die Neuverschuldung soll bei alldem im Rahmen bleiben.

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Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler wird selbstverständlich wissen, dass der Politiker, der den Kreis quadrieren kann, erst noch geboren werden muss. Ebenso klar ist, dass zumindest auf Bundesebene die Zeiten (vorerst?) vorbei sind, in denen mit absoluten Mehrheiten zu rechnen ist. Nur die Sozialdemokraten im Saarland sind derzeit unter sich. Wer alle Ministerien mit Parteifreunden und -freundinnen besetzt, hat leicht regieren.

Erschwert wird die Regierungsbildung, weil in den vergangenen Tagen mehr und mehr Optionen ausgeschlossen worden sind. Eine Neuauflage aus SPD, Grünen und Liberalen ist undenkbar. Die AfD kommt für keine der anderen Parteien als Regierungspartner infrage. An diesem Sonntag eröffnete Friedrich Merz in der "Rheinischen Post", dass er mit Olaf Scholz in keiner denkbaren Konstellation zusammenarbeiten werde. Scholz hatte zuvor schon ausgeschlossen, als Stellvertreter von Merz zur Verfügung zu stehen. Das steht einer (weiterhin ungeliebten) Großen Koalition nicht grundsätzlich im Weg, ebnet ihn aber nicht.

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Auch von einer Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht will Scholz (momentan?) nichts wissen. CSU-Chef Markus Söder will Schwarz-Grün verhindern. Ein Jamaika-Bündnis, das Lindner mit den Worten "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren" 2017 verhindert hat, wäre ein ähnlich großes Wagnis wie die Ampelregierung.

Weder für eine rot-grüne, noch für eine bürgerliche Mehrheit aus Union und FDP werden die Stimmen laut aktueller Umfragen reichen. FDP-Chef Christian Lindner strebt zwar ein zweistelliges Ergebnis an, aber mit der Kraft seiner Gedanken allein wird er die Wähler nicht umstimmen können. Laut Umfragen zieren sich (noch?) viele, die FDP mit ihren Stimmen zu beglücken. Die Linken kommen als Koalitionspartner vermutlich nicht infrage. Derzeit müssen sie darauf setzen, den Wiedereinzug in den Bundestag wenigstens über Direktmandate zu sichern.

Hinzukommt, dass der Bruch der Ampelkoalition kein Kapitel ist, das an diesem Montag abgeschlossen sein wird, wenn sich der Kanzler im Parlament der Vertrauensfrage stellt. Das Scheitern wirkt nach. Bei den drei Parteien selbst, von denen mindestens eine an der nächsten Regierung beteiligt sein wird, aber auch in der Bevölkerung. Die neue Regierung – einerlei, wer sich dazu zusammentut – wäre gut beraten, realistisch zu bleiben und kleinere Brötchen zu backen. Wer Aufbruch verspricht, sollte nicht mit Abbruch enden. Die nächste Regierung ist im Grunde zum Erfolg verdammt, sie muss sich zusammenraufen, ohne Stillstand zu riskieren. Leicht wird es nicht, aber es könnte sich lohnen.

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