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Interview „Integration statt Internierung“

Der Stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Jörg Radek kritisiert den Kompromiss von CDU und CSU. Er sei nicht praktikabel und rechtlich unzulässig.
03.07.2018, 22:05 Uhr
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„Integration statt Internierung“
Von Markus Decker

Herr Radek, was halten Sie von dem Plan von CDU und CSU, Transitzentren einzurichten, um dort bereits woanders registrierte Flüchtlinge unterzubringen?

Jörg Radek: Das ist ein alter Hut von 2015. Und er beschränkt sich wieder nur auf die deutsch-österreichische Grenze. Das ist mein Hauptkritikpunkt. Die übrigen deutschen Grenzen werden in der politischen Diskussion vollkommen ausgeblendet. So sieht keine nachhaltige Politik für innere Sicherheit aus.

Was befürchten Sie?

Meine Befürchtung ist, dass der Grenzschutz zur Symbolpolitik missbraucht wird. Das gilt auch für die Transitzentren. Dieser Kompromiss ist aus meiner Sicht Augenwischerei und keine Lösung für einen funktionierenden deutschen Grenzschutz.

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Tatsächlich gibt es an der deutsch-österreichischen Grenze ja nur drei bewachte Grenzübergänge. Was passiert an der grünen Grenze?

Wir bearbeiten den Grenzraum in einer Tiefe von bis zu 30 Kilometern im Sinne einer sporadischen Schleierfahndung. Dort haben wir Erfahrungen. Und aus diesen Erfahrungen werden die Streifen vorgenommen. Gerade die Ausweichrouten von Flüchtlingen beobachten wir sehr genau. Das bringt auch was.

Sind diese Transitzentren denn überhaupt rechtlich wasserdicht zu machen?

Transitzentren kann es nach EU-Recht nur an EU-Außengrenzen mit Grenzkontrollen geben. Dazu gehören in Deutschland lediglich die Flug- und Seehäfen, aber nicht die Grenze zu Österreich. An der Binnengrenze ist die Einreise mit Überschreiten der Grenzlinie vollzogen. Es kann dort keinen Transitbereich geben. So oder so benötigt die Polizei für ihr Einschreiten rechtlich saubere Lösungen. Ich sehe nicht, wo die im vorliegenden Fall herkommen sollen.

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Die Flüchtlingspolitik verengt sich immer mehr auf den Versuch, Flüchtlinge in Lagern zu isolieren und damit letztlich einzusperren: in Nordafrika, in Staaten mit EU-Außengrenzen, nun auch in Deutschland. Damit wird Flüchtlingspolitik vorrangig zu einer polizeilichen Aufgabe deklariert. Halten Sie das für zukunftsfähig?

Eine Internierung ist das Gegenteil von Integration. Humanität, aber auch rechtliche Gründe sprechen dagegen. Wir brauchen deshalb ein gesamtstaatliches Konzept, in dem alle Akteure – Schulen, Ausländerbehörden, ehrenamtliche Hilfsorganisationen, Gesundheitsämter und auch die Polizei – eingebunden sind.

Papier ist bekanntlich geduldig. Was glauben Sie, was in Wirklichkeit mit den Flüchtlingen geschehen wird und wo wir – sagen wir – in drei Jahren stehen?

Sicher ist: Eine langfristige Lösung bedarf der Einbeziehung der Herkunftsländer. Denn dort entstehen die Fluchtursachen.

Die Fragen stellte Markus Decker.

Zur Person

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Jörg Radek ist Stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei und kritisiert den Kompromiss von CDU und CSU. Er sei nicht praktikabel und rechtlich unzulässig, sagt der 68-Jährige.

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