Öffentliche Bibliotheken sind Orte der Begegnung. Sie sind Orte der Begegnung mit Literatur, Filmen, Zeitungen und mittels dieser Medien auch Orte der Begegnung mit uns selbst. Familien können einander begegnen, wenn Eltern und Kinder gemeinsam die Bibliothek besuchen. Und in unseren zunehmend „digitalen Zeiten“ besonders wichtig: Im realen Raum der Bibliotheken werden auch unwahrscheinliche Begegnungen wahrscheinlicher.
Sonntags aber, wenn Familien gemeinsam Zeit haben, wenn viel beschäftigte Menschen Zeit für kulturelle Mußestunden haben und wenn Einsamen bisweilen die Decke auf den Kopf fällt, sind öffentliche Bibliotheken geschlossen. Bisher verbietet das Arbeitszeitgesetz die Sonntagsöffnung.
Das Arbeitszeitgesetz schützt Arbeitnehmer*innen davor, sonntags arbeiten zu müssen. Das ist ein hohes Gut und richtig so. Doch Ausnahmen gelten bereits jetzt: Krankenhäuser, Tankstellen und Museen sind nur einige davon. Jede weitere Ausnahme muss sehr gut begründet werden. Noch mehr verkaufsoffene Sonntage leuchten mir zum Beispiel nicht ein.
Eine öffentliche Bibliothek können alle Menschen einfach besuchen. Der Besuch kostet keinen Eintritt und muss nicht begründet werden. Selbst der Kaffee ist dort äußerst günstig. Öffentliche Bibliotheken ermöglichen etwas, was sonst so nirgends möglich ist. Menschen müssen sich auch nicht unbedingt Bücher ausleihen, sie können dort einfach sein.
Somit sind öffentliche Bibliotheken wichtige Orte der Begegnung und der Teilhabe. Als in Bremen der Modellversuch zur Sonntagsöffnung der Stadtbibliothek am Wall durchgeführt wurde, war es eine Wonne: all die Familien mit ihren Kindern, alte Menschen, Menschen unterschiedlicher Kulturen, Jugendliche, die Referate vorbereiteten - ein quirliges Treiben.
Es ist an der Zeit
Die Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin macht die gleichen Erfahrungen. Sie wendet gewissermaßen einen Trick an, um sonntags öffnen zu dürfen. Dort werden sonntags Veranstaltungen durchgeführt, denn dann darf auch die Bibliothek öffnen. Zusätzlich ständig noch eine Veranstaltung auf die Beine stellen zu müssen, überfordert aber nicht nur die kleineren Bibliotheken.
Es ist letztlich eine Frage der Abwägung. Der Bibliotheksverband plädiert schon lange für die Möglichkeit, die öffentlichen Bibliotheken sonntags öffnen zu dürfen. Wir leben in Zeiten, in denen der gesellschaftliche Zusammenhalt bedroht ist, in Zeiten, in denen Räume der Begegnung weniger werden, dafür umso mehr gebraucht werden. Öffentliche Bibliotheken können gerade sonntags ein wichtiger Ort der Begegnung sein. Das muss ermöglicht werden. Es ist an der Zeit.
Unsere Gastautorin Kirsten Kappert-Gonther ist seit 2002 bei den Grünen und seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages für Bremen. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern.